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Mann in Schwarz. Kris Kristofferson bei seinem Auftritt im Admiralspalast.

© Geisler-Fotopress/Christian Behring

Kris Kristofferson singt im Admiralspalast: Der schelmische Rebell

Kris Kristofferson macht auch als 77-Jähriger noch eine gute Figur. Jetzt hat er im Admiralspalast ein berührendes Konzert gegeben.

Die Konzertbesucher – überwiegend im gesetzten Alter – freuen sich, dass sie sitzen können. Und zwar im hübschen Theatersaal des Admiralspalasts, der dem Konzert von Kris Kristofferson einen angemessen würdigen Rahmen gibt. „Ach ja, man muss ihn ja noch mal sehen“, sagen ein paar ältere Herren, „vielleicht zum letzten Mal.“ Und man fragt sich, wen sie meinen, wem sie künftige Konzerte nicht mehr zutrauen – sich selbst oder dem texanischen Singer-Songwriter? Der macht noch als 77-Jähriger eine gute Figur. Und wirkt ziemlich gesund und drahtig, als er unter großem Jubel plötzlich auf die Bühne springt – mitten rein in einen Song des Vorprogramms, wo er eine halbe Textzeile mitsingt und schnell wieder verschwindet. Die charmant schmalztollige Düsseldorfer Band Rocket To Stardom rattert Rockabilly-Versionen seiner Songs herunter. Das hatte Kristofferson offenbar so gut gefallen, dass er deren Debütalbum für sein eigenes KK-Label produziert hat, und die Düsseldorfer jetzt seine vier Konzerte in Deutschland vorwärmen dürfen. Aber die richtige Wärme kommt nach der Pause. Da steht Kristofferson ganz alleine auf der Bühne, mit vollen grauen Haaren, gestutztem Vollbart, knittrig schwarzen Jeans, ungebügeltem Westernhemd und einem schelmischen Grinsen, in dem man immer noch diese betörende Mischung aus jugendlich rebellischen Zügen und tiefer Melancholie wiederfinden kann. Jene Mischung, mit der Kristofferson als Schauspieler vor über vierzig Jahren Figuren wie Cisco Pike und Billy The Kid verkörpert hat.

Im reaktionären Umfeld von Nashville war er immer ein Außenseiter

Kristofferson schrabbelt auf einer tiefgehängten Gibson-Akustikgitarre, bläst und zieht rostiges Krächzen aus seiner Mundharmonika, singt von den Härten und Freuden des Lebens, von Tod und Teufel. Vom Schiffbruch, den seine Karriere in den Achtzigern erlitt, von der Vergänglichkeit der Liebe, vom Abschiednehmen in seinem wohl berühmtesten Song „Me And Bobby McGee“, sowie vom schillernden Regenbogen kleiner Gesten der Großzügigkeit und Mitmenschlichkeit: „Here Comes That Rainbow Again“. Im reaktionären Umfeld der Countryszene von Nashville ist Kristofferson immer ein Außenseiter gewesen. Ein linksliberaler Träumer, der beim Konzert seine Haltung beweist, indem er in „They Killed Him“ an die Ermordungen von Mahatma Ghandi, Martin Luther King und den Kennedys erinnert und seine Anti- Kriegs-Hymne „In The News“ anstimmt. Zuletzt sind seine Songs privater geworden, in „Feeling Mortal“ beschreibt er keineswegs larmoyant sein „shaky self esteem“, ein zittrig gewordenes Selbstwertgefühl, und andere Unannehmlichkeiten des Älterwerdens. Es ist der Wechsel von Licht und Schatten, von Farbe und Monochromie, von Autobiografie und Fiktion die seine Lieder zu so dichten Tongemälden machen, dass sie zu Tränen rühren.

Wahrhaftigkeit und einfache Melodien lassen diese Werkschau hell erstrahlen

Gerade weil Kristofferson mit seinem brüchigen Bariton kein perfekter Sänger ist und mit seinem hakeligen Fingerpicking alles andere als ein virtuoser Gitarrist, trifft er seine Zuhörer. Auch wenn er an diesem Abend ein wenig verschnupft wirkt und sich zwischendrin immer wieder die Nase schnäuzt. Es sind die sprichwörtlichen „drei Akkorde und die Wahrheit“ – wie der 2002 gestorbene Songschreiber Howard Harlans Country-Musik definiert hat –, es sind die Wahrhaftigkeit und die einfachen Melodien, die Kristoffersons kleine Werkschau hell erstrahlen lassen, die Fans immer wieder zu Szenenapplaus hinreißen und schließlich von den Sitzen aufspringen lassen. For The Good Times. Und nach anderthalb bezaubernden Stunden singt Kristofferson noch ein paar Zugaben mit Rocket To Stardom: „Please Don’t Tell Me How The Story Ends“, „A Moment Of Forever“, „Why Me Lord“. Es wird hoffentlich nicht das letzte Mal gewesen sein.

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