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Kultur: Kuba ist nur ein Traum

Christine und Nora sitzen am Strand und träumen vom Bananenfrachter, der sie mitnimmt nach Costa Rica oder Kuba.Ein Urgroßvater reist durch Rußland und baut Öfen.

Christine und Nora sitzen am Strand und träumen vom Bananenfrachter, der sie mitnimmt nach Costa Rica oder Kuba.Ein Urgroßvater reist durch Rußland und baut Öfen.Sonja fährt mit dem Zug von Hamburg nach Berlin, lernt den Mann ihres Lebens kennen und damit beginnt eine unmögliche Beziehung.In ihrem Debütband "Sommerhaus, später" erzählt die Berliner Schriftstellerin Judith Hermann von alltäglichen Dingen: Liebe, Einsamkeit und Tod.Hinter der scheinbaren Banalität tun sich freilich Abgründe auf, und die tänzerisch verspielte Sprache der Autorin sorgt dafür, daß man als Leser geradezu hineingesaugt wird in den Sog dieser neun Geschichten.Hermanns Buch, erschienen in der Collection S.Fischer, ist der Überraschungserfolg des Bücherherbstes: Gerade eben ist es von den Kritikern auf den zweiten Platz der SWF-Bestenliste gewählt worden.Knapp hinter Montaigne, vor Don DeLillo und Brigitte Reimann.

Judith Hermann sitzt in ihrem Lieblinscafé in Berlin-Mitte, trinkt Tee - und vor allem: sie lacht.Die Haare im Nacken verknotet, ein langer grauer Wickelrock mit schwarzem Top, die Füße mit weißlackierten Nägeln stecken in Plateauschuhen.Nervös ist sie, obwohl sie eine Interview-Situation schon oft erlebt hat, aber meistens von der anderen Seite.Bevor sie sich entschied, nur noch Schriftstellerin sein zu wollen, hat die heute 28jährige als freie Journalistin gearbeitet und beispielsweise Reportagen über Berliner Hausmeister geschrieben.Nach einem abgebrochenen Klavierstudium entschied sie sich für die Berliner Journalistenschule, weil eineinhalb Jahre eine überblickbare Zeit schienen.Anschließend fuhr sie erst einmal für ein halbes Jahr nach New York.Zurück in Deutschland bekam sie gleich nacheinander drei Stipendien: das Alfred-Döblin-Stipendium, das Werkstatt-Stipendium des Literarischen Kolloquiums und den Preis des Berliner Kulturfonds.

Als Kind hat sie so ziemlich alles gelesen, was ihr in die Finger kam, anfangs Astrid Lindgren, Enid Blyton, später dann Thomas Mann, Kafka und Hesse.Angefangen selbst zu schreiben, hat sie erst nach ihrem Amerika-Aufenthalt.Doch von da an wollte sie nur noch ihre eigenen Geschichten erzählen.Ihren Job als Kellnerin in einer Kneipe am Prenzlauer Berg will sie trotzdem nicht aufgeben.Wenn sie ausschließlich hinter dem Schreibtisch sitzt, fürchtet sie, irgendwann keine Geschichten mehr zu haben.Gewidmet ist ihr Erzählband F.M.und M.M., Kürzel, hinter denen sich die Kosenamen für ihre Eltern verbergen.Denen ist sie dankbar, daß sie ihre "Phase des Ausprobierens" mitgemacht haben.Besonders ihr Vater, ein Maler, ist ein wichtiger Kritiker ihrer Texte.

Judith Hermann paßt in diese Stadt, die so unfertig ist: Momentan weiß sie nicht, was in den nächsten drei Monaten passieren wird und kann das richtig genießen."Aber", gesteht sie, "ein ganzes Leben lang kann man nicht so chaotisch drauflosleben." Ihr Leben muß sie inszenieren, um weiter schreiben zu können.Als Jugendliche wollte sie Schauspielerin werden, heute sitzt sie lieber im Zuschauerraum.Die in ihrem Debütband versammelten Stories, sagt sie, sind noch längst nicht alle Geschichten, die sie zu erzählen hat.Ob sie sich an einen Roman wagen wird? Der Druck sei da, aber eigentlich liege ihr die Erzählung eher.Und sie ist unsicher, ob die Geduld ausreicht für ihre Neugierde.Oft sei sie schnell erschöpft.Sie errötet leicht, zündet sich eine Zigarette an.Als cool und unnahbar würde sie oft bezeichnet.Freunde beschweren sich manchmal, daß immer alles nach ihrem Kopf gehen muß.Dabei wirkt sie eher schüchtern.Ein Traum ist mit "Sommerhaus, später" in Erfüllung gegangen.Aber Träume, lacht sie, sind "doch immer etwas Seltsames".

Judith Hermann liest am Donnerstag in der Georg Büchner-Buchhandlung, Prenzlauer Berg, Wörtherstraße 16, 20 Uhr.Am Mittwoch, 18.November, liest sie in Schleichers Buchandlung, Dahlem, Königin-Luise-Straße 40, 20 Uhr

CHRISTINA BERR

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