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Kultur: Küchenlatein

David Zink Yi blättert in seinem Familienalbum

Manchmal geht Kunst vertrackte Wege und kommt doch zum Ziel. Aufgrund politischer Querelen platzte in diesem Jahr die Manifesta auf Zypern. Kurator Anton Vidokle hat sich davon nicht ins Bockshorn jagen lassen und nun in Berlin statt in Nicosia sein Modell einer Freien Kunstschule gestartet. Und noch einen Gruß hat die Europäische Wanderbiennale nach Berlin entsendet, mehr eine Erinnerung an die vorangegangene Biennale im spanischen San Sebastian.

Damals gehörte zu den schönsten Arbeiten ein Video von David Zink Yi, der mit zwei Fingern auf seinem nackten, grün angemalten Körper im Rhythmus südamerikanischer Cumbia-Musik auf- und abtanzte. Er schuf damit ein poetisches Bild für Heimatlosigkeit, die ihren Ausgangspunkt stets im eigenen Körper findet. Seitdem gilt der 33-Jährige als Experte für die Verortung kultureller Strömungen in der eigenen Person. Er selbst bringt die besten Voraussetzungen dafür mit: Der Peruaner mit deutschen, chinesischen, italienischen Wurzeln lebt seit 1991 in Deutschland. Nach einer Ausbildung zum Koch und Holzbildhauer begann er 1998 bei Lothar Baumgarten, dem großen Spurensucher in den Wäldern Südamerikas und des Niederrheins, an der Berliner Universität der Künste zu studieren. Einer wie Zink Yi braucht nur im Familienalbum zu blättern und stößt schon auf die abenteuerlichsten Verbindungen. Allerdings benötigt er dazu auch die künstlerische Gabe, sie in einem überindividuellen Moment zu verdichten.

Mit seiner Ausstellung in der Galerie Johann König ist ihm dies gelungen. Mag sich der Titel „Geschlossene Kurve, bei der für jeden Punkt die Summe der Entfernungen konstant ist. Auslassung insbesondere inmitten von etwas“ sprachlich als Stolperstein erweisen, seine Skulptur (55 000 Euro) ist es nicht: Über zweieinhalb Meter hoch stehen dort Planken in elliptischer Kreisform aufgerichtet. Sie kann nichts so leicht zum Einsturz bringen, denn Zink Yi hat sich zuvor in der Böttchertechnik unterweisen lassen, bei der die Kunst gerade in der Stabilität des geschlossenen Kreises besteht. Unterrichten ließ er sich von einem 70-jährigen Peruaner, der noch bei seinem Großvater, einem aus Bayern eingewanderten Böttchermeister, das Handwerk erlernt hatte. Ein Foto aus den Sechzigern erinnert an den alten Familienbetrieb; Jahrzehnte später kehrt diese traditionelle Fertigkeit über den Enkel wieder ins Ursprungsland zurück, nun allerdings als Kunstwerk modifiziert. Die mit Akkuratesse errichtete Reihe Bretter, die Zink Yi aus seiner Heimat einschiffen ließ, kann es mit jeder minimalistischen Skulptur aufnehmen.

Gerade darin besteht die Leistung des Künstlers, der sich chamäleonhaft in verschiedene Funktionsbereiche einfügt, dabei immer das Eigene herausfiltert und neu interpretiert. So ließe sich seine Videoarbeit „Dedicated to Yi Yen Wu“ (9000 Euro) als gewöhnliches Kochvideo ansehen, in dem verschiedene Personen von ihren Gewohnheiten in der Küche erzählen. Doch das Kochen steht hier für kulturelle Identität; die Art des Würzens (Chili!), der Einsatz von besonders viel Öl oder die Form, wie man eine Maultasche dreht. Perus Küche, das ist der Schmelztiegel der Nation; hier kommen afrikanische, arabische, kreolische Elemente zusammen. Gewidmet hat Zink Yi das Video seinem Großvater mütterlicherseits, von dem seine Mutter im Video erzählt.

Das Familienalbum schließt mit zwei Fotografien aus der Wohnung von Zink Yis Großmutter (6500 Euro), die aus Italien nach Südamerika kam und ihre Porzellanfigürchen und Spitzendeckchen als Erinnerung an das ferne Europa um sich versammelt hält. Und doch will der Künstler all dies nicht privat verstanden wissen; ihm geht es um das kulturelle Gedächtnis aller Menschen, welche Rolle familiäre Wurzeln spielen, woraus unsere Heimatbindung besteht. Gewiss, das ließe sich alles abstrakt diskutieren, aber gerade darin besteht Zink Yis Qualität, dass er den Begriff der Erinnerung aus seiner persönlichen Geschichte heraus erklärt. Und die setzt sich manchmal im Kopf anderer fest: wie jene zwei zur Cumbia-Musik tanzenden Finger.

Galerie Johann König, Dessauer Str. 6-7, bis 25. November; Di – Sa 11 – 19 Uhr.

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