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Kultur: Kühl-blondes Gelb

Als er die Acrylfarbe für sich entdeckte, war der 1887 geborene Max Ackermann 79 Jahre alt. Dispersionsfarben kamen in den 70ern gerade erst in Mode, schon weil sie geruchsfrei waren, wasserlöslich, schnelltrocknend und genauso gut geeignet für Aquarellpinsel wie Malmesser.

Als er die Acrylfarbe für sich entdeckte, war der 1887 geborene Max Ackermann 79 Jahre alt. Dispersionsfarben kamen in den 70ern gerade erst in Mode, schon weil sie geruchsfrei waren, wasserlöslich, schnelltrocknend und genauso gut geeignet für Aquarellpinsel wie Malmesser. Mit Hilfe dieser „neuen Leuchtfarben“ stürzte sich der Maler in eine emotionale Spektralanalyse. Leidenschaftlich wie ein junger Mann. Seine Acrylbilder feierten Rot – von Kaminfeuer bis Purpur, Blau – von Weintraube bis Kobalt, Gelb – von Kühlblond bis Sonne satt. Ackermann mischte sich Grün – getupft, gestrichen und in kreisender Schattierung und immer wieder Violett – als optisches Scharnier, als Binnenfläche oder als Kontrastfarbe. Und nicht zu vergessen Rosé, weit entfernt von unserer heutigen Modefarbe Pink. Rosa war seine Pop-Farbe, ein suggestiver Aufheller neben Türkis oder Velvet. Er brachte zwischen die Farben gleichermaßen Ausgleich wie Spannung. 40 Acrylbilder (6800 bis 70 000 Euro) aus Ackermanns Acrylperiode sind jetzt im Artbuero Berlin zu erleben (Auguststraße 72, bis 18. Februar). Eine überraschende Erinnerung an den 1975 verstorbenen Maler, der in den 20er Jahren noch in Weimar bei Henry van de Velde studiert hatte. Zwischen 1966 und 1972 schuf er ein integres Alterswerk, mit dem er Weltsichten aus sechs Jahrzehnten Malerleben in frischen Farben noch einmal in Form brachte. Wie die von ihm verehrten Physiker sah er sich als Künstler auf der Suche nach den Gestaltungskräften für Raum und Zeit. „ Ich male nicht abstrakt“, revoltierte er schon damals gegen die Schublade: „Ich male absolut!“.

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Die kreative Entladung für das neue Acrylbild von Martin Kobe war noch nicht ganz abgeschlossen, als diese Zeilen entstanden. So ist das Leben. Der Galerist schritt schon mal die Wand ab – gute fünf Schritte lang. Und er reckte den Arm hoch – über zwei Meter hoch. Der Platz würde reichen. Das eine Bild wird beinahe die ganze Wand bedecken. Längst schon fertig sind die Entwürfe. Die Bleistiftlinien von Kobe erinnern an technische Baupläne, an Aufrisse für Architektur. Das Blatt sah aus wie ein geträumter Querschnitt durch Scharouns Berliner Philharmonie. Lichte Durchblicke, steigende Ebenen. Fallende Linien, springende Perspektiven. Bei Kobe entstehen Klangräume in Konstruktionen, die alle Gesetze der Schwerkraft ignorieren. Seine Farbexkursionen erinnern an Unschärferelationen, an Wolkenhybride. Er ermalt sich Farbwelten, die aus Raum und Zeit fallen. So steht die Welt wunderschön Kopf. Und die Zeit? Die wird wohl reichen. Denn Acryl trocknet schnell. Und bis heute Abend zur Vernissage wird Kobes Bild an der Galeriewand hängen, als wäre es immer schon da gewesen ( Galerie Christian Ehrentraut , Brunnenstraße 7, Haus D, Preis auf Anfrage).

Thea Herold

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