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Kultur: Küsse im Mondlicht

Sex sells: Die Galerie Davide Di Maggio zeigt Stars der erotischen Fotografie in Berlin

Der Ausstellungstitel „XXX“ klingt kryptisch – und ist eigentlich ein Synonym aus der Welt der Pornographie, das für „garantiert nicht jugendfrei“ steht. Nicht minder abwegig erscheint das gleichnamige Katalogheft, das im Layout herkömmlicher Pornomagazine gehalten wurde. Sex sells, mögen sich der Galerist Davide di Maggio und sein Kurator gedacht haben. Doch was zunächst anmutet wie die Vorlage für das, was Woody Allen einmal mit der „Liebe an und für sich“ umschrieben hat, entpuppt sich in der Ausstellung als weitaus weniger effektheischend. Insgesamt hat der Turiner Kunstkritiker und Kurator Luca Beatrice in der Berliner Dependance der Mailänder Galerie Mudima vierzehn fotografische Positionen rund um die Themen Sexualität und Körper aus sieben Jahrzehnten versammelt.

Voyeure kommen dennoch nur sehr bedingt auf ihre Kosten: Anton Corbijn etwa hat sich für seine „Strippinggirls“ von der Glamour-Welt des Showbusiness zwar in die Halbwelt der Nachtclubs begeben. Doch die 1999 in Amsterdam entstandene Serie versprüht nur im ersten Moment den Anschein einer Peepshow: Wie durch das sprichwörtliche Schlüsselloch blickt man auf die kleinen Formate, und betrachtet man sie aus intimer Nähe, zeigen sie irritierende Abweichungen, die Corbijn digital eingebaut hat: hier ein dritter Busen, dort ein Katzenschwanz. Die Peepshow mutiert zur Freakshow.

Zu den Klassikern in der Ausstellung gehört ein Porträt, das Man Ray 1934 von der Surrealisten-Kollegin Meret Oppenheim fertigte. In Anlehnung an Francisco de Goyas „Die nackte Maya“ liegt die Künstlerin auf dem Bett. Das Buch in ihren Händen rückt sie einerseits ikonographisch in die Nähe von Mariendarstellungen und weist sie andererseits als moderne Frau von kühler Sinnlichkeit aus. Der spätere Abzug aus der Serie „Femmes“ kostet 3500 Euro. Stärke und Kraft strahlen auch Helmut Newtons vier hoch gewachsene Models aus dem Jahr 1981 mit dem Titel „Sie kommen“ (20 000 Euro) aus. Während in Andres Serranos Fotolithografien der 1999 entstandenen Serie „Big Woman“ die Macht des weiblichen Körpers eine groteske Steigerung erfährt. Das Blow-up zeigt die Bodybuilderin „Lesa Lewis“, doch außer dem Namen lassen nur der pinkfarbene Bikini und eine Haarsträhne darauf schließen, dass der hormongestählte Torso einer Frau gehört (6000 Euro).

Serranos hypertropher Inszenierung stehen tagebuchartige Schnappschüsse von Nan Goldin gegenüber. Spätestens mit der Publikation ihrer „Ballade von der sexuellen Abhängigkeit“ hat Goldin seit Mitte der achtziger Jahre eine neue Richtung der subjektiven Fotografie begründet. „Cookie laughing“ (15 600 Euro) lässt zunächst nicht unbedingt auf dieses Thema schließen. Erst das Wissen um das HIV-Virus’, dessen tödlichen Auswirkungen die so fröhlich lachende Frau nur wenige Jahre nach der 1985 entstandenen Aufnahme erlag, lässt Cookie in diesem Kontext – erschreckend – plausibel erscheinen.

Der Reiz nackter Hände

So eröffnet gleich der Ausstellungsauftakt die ganze Spannweite, mit der das fotografische Bild des Körpers nachgezeichnet wird. Und macht deutlich, dass obwohl Silikon-Busen-Wunder in eindeutigen Posen auf Zeitschriften und Plakatwänden prangen, in der Kunst die Grenzen zwischen erotischer und pornographischer Darstellung penibel gezogen werden. Allerdings schwanken diese: Noch in den neunziger Jahren wurden Fotografien von Andres Serrano und Robert Mapplethorpe zu Präzedenzfällen der amerikanischen Zensurbehörden, Nobuyoshi Araki geriet wiederholt mit japanischen Tugendwächtern in Konflikt, und in Deutschland überklebte eine Werbefirma kurzerhand Ausstellungsplakate von Bettina Rheims oder Mapplethorpe.

Die Schwelle zur Obszönität berührt in der Ausstellung noch am ehesten der New Yorker Fotograf und Filmemacher Richard Kern. Doch fixiert die junge Frau in „Voyeur / Pregnant“ (900 Euro) nicht weniger selbstbewusst etwas Verborgenes als der Fotograf sein Motiv oder der Betrachter die Fotografie. Robert Mapplethorpes Selbstporträt ist dagegen ein einsamer Männerakt aus den siebziger Jahren, als der 1989 verstorbene Autodidakt noch mit der Polaroidkamera experimentierte. Ohne die Brillanz seiner späteren, homoerotischen Darstellungen, wirkt die Fetischisierung des Körpers, angedeutet lediglich durch einen Lederriemen um den Halbakt, hier geradezu anrührend und verhalten (8000 Euro).

Auch von Nobuyoshi Araki gibt es Unerwartetes zu sehen. Eben nicht die umstrittenen Akte des japanischen Meisters sexueller Obsessionen; kein weißes Fleisch, das aus aufwändigen Fesselungen quillt. Äußerst gespannt und delikat entsteht der Reiz des Erotischen bei den zwei unbetitelten Arbeiten (je 2500 Euro) gerade darin, dass die Modelle angezogen sind. Ins Zentrum rücken die nackten Hände, mit denen die Geisha an einen Hydranten in den Straßen Tokios gefesselt ist, respektive ein Stückchen Haut der Unterschenkel einer Frau bei der Teezeremonie; was der Fantasie umso mehr Spielräume eröffnet.

Dass der entblößte Körper auch ein subtiles Symbol für Verletzlichkeit darstellt, zeigt sich in der jüngeren Fotografiegeschichte selten so eindringlich wie im Werk von Francesca Woodman. Die Amerikanerin, die 1981 im Alter von nur 22 Jahren verstarb, fasziniert durch die ebenso poetische wie authentische Erotik ihrer inszenierten Selbstporträts, in denen der Körper gleichzeitig Pfeil und Ziel des künstlerischen Blicks ist. Wie eine der surrealen Puppen Hans Bellmers taucht sie in „A mirror“ (3500 Euro) in ein dramatisches Spiel von Licht und Schatten ein, während sich ihr Körper in „Space 2“ (3500 Euro) aufzulösen scheint und eins wird mit der morbiden Wand.

Mit dem Charme von Morbidität und Sexualität spielt auch der tschechische Pionier der inszenierten Fotografie, Jan Saudek. Doch geraten die kolorierten Schwarzweißaufnahmen des 1935 in Prag geborenen Künstlers in ihrer süßlichen Verspieltheit allzu theatralisch. Wie in „Kisses in the Moonlight“ (6000 Euro), wo die leuchtenden Pastelltöne und das förmlich sich in den Raum ergießende Licht, die das kniend sich küssende Paar umfloren, nur haarscharf am Kitsch vorbeischrammen.

Galerie Davide Di Maggio – mudimadue, Torstraße 138, bis 18. Februar; Dienstag bis Sonnabend 11 – 18 Uhr .

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