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Kultur: Küssen, plappern, klettern

Eine Begegnung mit Italiens Hofnarr

Er ist nicht immer leicht, der Beruf des Übersetzers, schon gar nicht an diesem Freitagmittag im Ritz Carlton. Roberto Benigni wartet bereits, er ist nach Berlin gekommen, um seinen neuen Film „Der Tiger und der Schnee“ vorzustellen. Man wird freundlich mit Vornamen begrüßt, und kaum ist die erste Frage in der Welt, verwandelt er sich in einen in weitem Umkreis üppig sprudelnden Wasserfall. Es scheint kein Halten zu geben, doch hat jeder seiner kleinen, rasenden Monologe eine wohl bemessene Spannungskurve, die zielgerecht zum Punkt führt. Die Übersetzerin macht wilde Zeichen auf ihren Notizblock – Herzen, Stiefel, Berge sind dabei, denn dieser Mann ist selbst für Steno zu schnell. Ganz besonders heute, denn es liegt ihm etwas an diesem Film.

Benignis Tragikomödie vor dem Hintergrund des Irakkriegs, wurde nach „Das Leben ist schön“ (1997), seinem großen, tragikomischen Film über die Judenverfolgung, mit Spannung erwartet. „Ich habe keinen Kriegsfilm gemacht“, sagt Benigni, „sondern einen Liebesfilm. Aber ein Film über die Liebe ist immer auch ein Film gegen den Krieg. Ich will keine ideologischen Filme machen – die gehen in den Kopf, kommen da aber auch gleich wieder raus. Die Geschichte meines Films berührt das Herz, und ich hoffe, sie bleibt dort auch.“

In Italien sorgte das vor allem bei den Linken für Irritation: Ihnen war das Werk des erklärten Pazifisten Benigni zu unkritisch. „Manche Kritiker haben mir ,Buonismo’ vorgeworfen, das Schönfärben der Realität. Sie haben meinen Film nicht verstanden! Er ist ein Märchen darüber, dass der Tod eines Menschen gleichbedeutend ist mit dem Tod aller Menschen – und dass der Tod nur mit der Kraft der Liebe verhindert werden kann. Es gibt Menschen, die sagen: so viel Gewalt in der Welt, was macht da eine kleine Tat für einen Unterschied. Aber das ist nicht wahr, jeder kleiner Moment der Liebe zählt. Ich mag diese Darstellung von Gewalt nicht, an die wir uns so gewöhnt haben, sie ist wie Pornografie. Meine Filme sind wie klassische Tragödien: die schlimmen Dinge werden nicht gezeigt, und dennoch sieht man sie.“

Der Film hat tatsächlich eine klassische Struktur: Der Held muss seine Geliebte aus der Hölle holen und dabei einige Prüfungen bestehen. Kaum überraschend, dass es dabei einiges zu lachen gibt. „Es ist sehr viel schwieriger, einen Liebesfilm zu machen als einen Kriegsfilm. Ganz besonders, wenn es eine Komödie ist.“

Roberto Benigni war immer schon eine Art Hofnarr im fliegenden Wechsel von Klamauk und Ernsthaftigkeit. Seine Auftritte in Fellinis „Berlinguer ti voglio bene“ und Jim Jarmuschs „Down by Law“ machten aus dem Kleinbühnen- und TV-Komiker einen international respektierten Kinostar. „Das Leben ist schön“ ist ein Meisterwerk auf der Höhe von Charlie Chaplins „Großer Diktator“ und Ernst Lubitschs „Sein oder Nichtsein“. Dem Klamauk aber ist er stets treu geblieben, vor allem in seinen grotesken Fernsehauftritten. Sein Traumprojekt „Pinocchio“ (2002) scheiterte daran: der Film brach Besucherrekorde in Italien, wurde im Rest der Welt aber mit Unverständnis und offener Abscheu aufgenommen.

Am Sonntagabend wird Benigni seinen Film der Öffentlichkeit vorstellen, und vielleicht kommt es dann auch wieder zu einem seiner berüchtigten, unberechenbaren Auftritte. Unvergessen der Auftritt bei der Oscar-Verleihung 1999, als er drei Trophäen für „Das Leben ist schön“ erhielt und wie bei einem Provinzfestival winkend und lachend über die Sitzreihen zur Bühne kletterte. Er küsste Bill Clinton auf die Wange, Martin Scorsese die Füße und den römischen Bürgermeister auf den Mund. Er zerrte die Entertainerin Raffaela Carra zu Boden und versuchte sie während einer Show zu entkleiden. Beim Schlagerfestival in San Remo rezitierte er Dante aus dem Gedächtnis und griff danach dem Moderator in den Schritt. „Manchmal passiert es, manchmal nicht. So bin ich nun mal: der Körper muss sich bewegen! In solchen Augenblicken bin ich ganz losgelassen. Darum geht es mir auch in meinen Filmen – das Wunder der Lebendigkeit. Das ist die gewaltige Kraft des Tigers: die Liebe und das Leben. Ich mag den Tod nicht. Er wird das Letzte sein, was mir im Leben widerfährt.“

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