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Schauspielerin Michelle Yeoh (links) und Regisseurin Gina Kim des Films "Final Recipe" bei der Eröffnungsnacht des Kulinarischen Kinos

© Thilo Rückeis

Kulinarisches Kino mit "Final Recipe": Wie ein Omelett Michelle Yeoh die Show stielt

Michelle Yeoh, das ist Martial Arts. Doch in der Feel-Good-Komödie "Final Recipe" geht's ausnahmsweise nur ums Essen. Und das sticht Yeoh beim Kulinarischen Kino beinahe aus - denn wie bei der Kampfkunst waren Koch-Doubles am Set verboten.

„Wir schauen, reden und essen. Aber nicht gleichzeitig!“ Thomas Struck pflegt seine Gäste scherzend zu empfangen, auch an diesem Abend hat er einige Kalauer im Köcher. Diesmal aber musste er sich geschlagen geben, Michelle Yeoh korrigiert lachend: „Aber wenn wir’s auf chinesisch machen würden – dann natürlich unbedingt: alles gleichzeitig!“

Der stets beschwingte Kurator des Kulinarischen Kinos hatte sich für den Eröffnungsabend „Final Recipe“ ausgesucht. Die großartige Schauspielerin Michelle Yeoh, hierzulande mit „Tiger & Dragon“ bekannt geworden, elegant und lebhaft wie immer, und die südkoreanische Regisseurin Gina Kim sind gekommen, um ihren Film vorzustellen – und anschließend mit ihrem Publikum zu dinieren.

Yeoh und Kim waren beide zuletzt mit eher schwerer Kost in Erscheinung getreten, warum jetzt dieses Feel-Good-Movie? „Wir wollten einen richtig asiatischen Film machen. Aber es sollte etwas anderes sein als Martial Arts.“ Und was ist asiatischer als ein Film übers Essen und die Familie?

Wettkämpfe gibt’s in „Final Recipe“ dann aber doch: Ein junger Mann will Koch werden, so wie sein Großvater und der verschwundene Vater vor ihm. Doch der Großvater hat es strengstens verboten. Als aber das Familienrestaurant von der Pleite bedroht ist, meldet Mark sich heimlich bei einem Kochwettbewerb im Fernsehen an.

"Final Recipe" ist Kochseifenoper in Hochglanz

„Final Recipe“ ist ein typisches Rührstück koreanischer Prägung, eine Kochseifenoper in Hochglanz, gefühlig und vorhersehbar – aber auch sehr passend an diesem Abend mit ihrer fröhlichen Parade von Kochsequenzen, den Speisen, Zutaten, Marktauslagen, groß aufgenommen, in saftigen Farben. Nach so einen Film muss man servieren, alles andere wäre Körperverletzung.

Während das Publikum also im Untergeschoss des Martin-Gropius-Baus im Dunkeln sitzt, wird gegenüber im „Gropius Mirror“ schon eifrig gekocht. Daniel Achilles gibt sein Debüt beim Kulinarischen Kino. Die Paarung des „Reinstoff“-Chefs ausgerechnet mit „Final Recipe“ spricht für einen ausgeprägten Sinn für Kontrast: Die pan-asiatische Produktion handelt von Improvisation und Street Food (bis heute das Rückgrat vieler asiatischer Küchen), Achilles’ Küche dagegen ist fein und präzise. Er wurde dafür gerade erst von Gault & Millau zu Deutschlands bestem Küchenchef ernannt.

Szene aus "Final Recipe" von Gina Kim
Szene aus "Final Recipe" von Gina Kim

© CJ E&M Corporation

„Ich bin ja nicht fürs Catering bekannt,“ sagt der bescheidene Koch kurz, als man ihn nach dem Film auf die kleine Bühne des Spiegelzeltes zerrt. Hinter ihm auf der Leinwand: Live-Bilder aus der Küche. Fünf mal so viele Menschen wie sonst hatte er zu bekochen. Was aber im eigenen Laden schon zur Perfektion verfeinert wurde, das lässt sich eben nicht einfach so skalieren.

Seit 2007 wächst das Gropius Mirror als „Pop-Up Restaurant“ immer zur Berlinale am Gropius-Bau aus dem Boden; rote Samtvorhänge, Spiegel und Holzvertäfelungen verleihen ihm den Charakter eines Revuetheaters. Publicitybewusste Köche wie Tim Raue, der auch in diesem Jahr wieder beim Kulinarischen Kino dabei ist, passen gut hierher. Daniel Achilles wirkt zunächst, als hätte sich der Thomanerchor ins VolksmusikZelt verirrt. Mit dem gedämpften Brötchen „Uckermark in Rot“, dem Topinambur Tatar (leicht erdig und ein wenig zu sauer), dem Winterkabeljau auf Sandkorn und Kerbelsaft (nicht mehr warm genug) kann er auch nicht zufrieden sein.

Michelle Yeoh und Gina Kim wollen natürlich sehen, wie das ist, wenn Deutschlands bester Koch 300 gleiche Menüs auswirft, jeder Gang auf einen Schlag. Kaum angekommen, lassen sie sich hinters Zelt bringen in die provisorische Küche. Dort leistet Achilles Schwerstarbeit. „Er sprach wenig, wirkte sehr fokussiert“, sagt die 51-jährige Yeoh später. „Ich will mir gar nicht vorstellen, wie es ist, wenn ein großer Koch zum ersten Mal quasi auf Massenproduktion umsteigt.“ Yeoh ahnt, was für eine Herausforderung das sein muss.

Wie bei der Kampfkunst: Die Darsteller durften keine Kochdoubles verwenden

Jedes einzelne der vielen – und sehr unterschiedlichen – Gerichte in ihrem Film wurde penibel recherchiert, geplant und am Set von eigens eingeflogenen Köchen zubereitet, oft mehrmals hintereinander. Einmal bereiteten sie mehrere hundert Omeletts für den Cameo-Auftritt von Daniel Boulud zu. „Die Speisen sind nicht nur Zutat, sie sind der Hauptdarsteller,“ sagt Yeoh, die den Film auch produzierte. „Das Essen und die Köche bekamen so viel Aufmerksamkeit. Wir waren fast ein bisschen eifersüchtig!“ Die Darsteller der Köche, auch K-Pop-Star Henry Lau in der Hauptrolle, durften sich nicht doubeln lassen. Sie mussten mehrere Monate für die richtige Kochtechnik trainieren – und das ist dann doch wieder fast wie beim Martial-Arts-Film.

Daniel Achilles hatte „Final Recipe“ schon vorab gesehen, am Abend selbst ist für so was ja keine Zeit. Geweint habe er zwar nicht, versicherte der Koch, aber berührt hat ihn der Film durchaus, ganz besonders die Rückblenden, „wenn der junge Koch mit Sekundenintelligenz aus einer Erinnerung heraus seine Prüfungen bewältigt. Das ist die Seele des Kochens: die Erinnerung“. Für Achilles selbst sind das vor allem die Meerrettich-Klöße seiner Großmutter – so scharf, „dass sogar der Hund unter dem Tisch weint.“

Achilles’ Worte freuten die Regisseurin. Berlins berühmter Koch brachte damit die Idee ihres Films auf den Punkt. Die 40-jährige Kim lebt die meiste Zeit in Kalifornien, unterrichtet außerdem in Harvard, aber der Geruch von gedünstetem Reis und Spinat wird sie für immer an ihre koreanische Heimat und am ihre Großmutter erinnern. „Wie schmeckt Familie?“, fragt Michelle Yeoh im Tränen-Finale von „Finale Recipe“. Und das wäre wohl die Antwort: „Wie eine Erinnerung.“

Ein Podiumsgespräch folgt dann auch noch, als die Bäuche voll geschlagen sind. Moderiert von „Feinschmecker“-Chefredakteurin Madeleine Jakits, von Struck vorgestellt als die Dame „mit Geschmack und Wuschelkopf“. Da ist es allerdings schon spät und aus einigen Winkeln des Gropius Mirror dringt das Lachen bereits in Festzelt-Stärke. „Hat jemand aus dem Publikum eine Frage?“, wollte Jakits wissen. „Ja“, schallt es fröhlich zurück. „Gibt’s noch was zu essen?“

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