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Kultur: "Kultur im Industrieraum": Nach dem documenta-Prinzip

Nach Gründung der "Ruhr-Triennale" (vgl. Tagesspiegel vom 13.

Nach Gründung der "Ruhr-Triennale" (vgl. Tagesspiegel vom 13. 12.) haben NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) und sein Kulturminister Michael Vesper (Grüne) jetzt den ersten Kurator dieses 2003 beginnenden Musik- und Theaterfestivals, Gerard Mortier, der Öffentlichkeit vorgestellt. Mortier, derzeit noch Leiter der Salzburger Festspiele, betonte in der Düsseldorfer Staatskanzlei den besonderen Charakter des neuen Festivals: International angesehene Regisseure sollten gewonnen werden, die "einzigartigen industrie-kulturellen Spielorte" des Ruhrgebiets zu nutzen - nicht als exotisches Ambiente, sondern als "Ausgangspunkt künstlerischer Programmatik". Die Hinterlassenschaften des Industriezeitalters, so Mortier, seien eine unübertroffene Herausforderung, die Routine des Kulturbetriebs zu durchbrechen. Orte wie die Essener Zeche Zollverein, der Oberhausener Gasometer oder die Bochumer Jahrhunderthalle stellten Fragen nach Gegenwart und Zukunft von Oper oder Konzert, die keine Standardantworten erlaubten. Die Triennale solle "komplementär zu dem arbeiten, was in den traditionellen Häusern geschieht". Wiederholt betonte Mortier, dass es ihm ausschließlich um originäre Produktionen gehe. Er habe bereits Anfragen von "bedeutenden Regisseuren", vor dem kommenden Herbst werde jedoch programmatisch nichts entschieden werden.

Eine weitere Besonderheit des Festivals, dessen endgültiger Name noch nicht feststeht, soll die dauerhafte Zusammenarbeit mit den im Ruhrgebiet ansässigen Kulturinstitutionen ausmachen, vor allem den jährlich in Recklinghausen veranstalteten Ruhrfestspielen. Sie sollen künstlerisch aufgewertet werden und gewissermaßen Statthalterfunktion für das alle drei Jahre stattfindende Großfestival ausüben, in das sie dann "einfließen". Nach den Plänen der Landesregierung soll der Triennale-Chef zugleich Leiter der Ruhrfestspiele sein und "nach dem documenta-Prinzip" alle drei Jahre wechseln. Während der Deutsche Gewerkschaftsbund, Hauptträger der Ruhrfestspiele, Bedenken gegenüber einem solchen "Kulturspektakel" formulierte, begrüßte deren noch bis 2003 amtierender Leiter, Hansgünther Heyme, das neue Festival. Scharfe Kritik übte die Deutsche Akademie für Darstellende Künste: Für "eine Event-Kultur ohne gleichen" würden Millionen bereit gestellt, während zahlreiche Bühnen an Rhein und Ruhr verarmten.

Die Landesregierung betrachtet die Ruhr-Triennale als Hauptstück ihres Projekts "Kultur im Industrieraum". Der "Verbund künstlerischer Projektorganisationen" soll nur minimalen bürokratisch-technischen Aufwand erfordern, die Triennale selbst indes ist gigantisch dimensioniert: Mit jährlich 40 Millionen Mark dotiert, wird sie jeweils sechs Monate dauern, von Mai bis Oktober.

Ulrich Deuter

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