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Protest. Antonio Manfredi verbrennt vor seinem Privatmuseum das Gemälde der Französin Severine Bourguignon. Foto: Reuter

© REUTERS

Kultur in Italien: Flammen der Verzweiflung

Kein Geld, kein Interesse: Wie Italien mit moderner Kunst und seinen historischen Schätzen umgeht.

Mamma mia, was für Schlagzeilen! „Jetzt brennt die Kunst!“ So dramatisch haben’s Nachrichtenagenturen aus Italien nach Deutschland gedrahtet, gerade so, als werfe Bella Italia in der Krise jetzt „auch noch“ seine heiligsten Güter auf den Scheiterhaufen. Gemach, gemach. So weit ist es im belpaese, im „schönen Land“, noch nicht. Und womöglich lässt sich die derzeit regelmäßig inszenierte Vernichtung moderner Kunstwerke selbst als künstlerischer Akt begreifen. Wer weiß das schon?

In Casoria, einem Vorort von Neapel, zwischen Müllhaufen und Camorrabanden, steht ein „Contemporary Art Museum“, das CAM. Erfunden hat es der 51-jährige Antonio Manfredi, ein rühriger, organisationsbegabter und im Netzwerkspinnen geschickter Mensch. Es gelang ihm, binnen neun Jahren an die tausend Werke regionaler und internationaler Künstler zusammenzutragen – in Form freundschaftlich überlassener „Spenden“.

Als öffentliche Zuwendung räumte die Gemeinde 3500 Quadratmeter Ausstellungsfläche in einem umgewidmeten Industriebau frei und schenkte den Strom dazu. Helfer unterstützten Manfredi um der schieren Kunst Lohn. Dann aber setzte die Gemeinde das CAM vor die Tür, und so sehr sich Manfredi auch bemüht hat: Weder in Kampanien noch in Rom noch bei der Kulturkommission des EU-Parlaments ist er auf Interesse für sein Museum gestoßen. Aus Protest verbrennt er jetzt ein Werk nach dem anderen.

Man könnte erwarten, dass sich das künstlerische Italien dem Protest Manfredis anschließt. Aber nichts passiert. Museumskollegen sprechen von „schlagzeilengieriger Inszenierung“, ein führender Journalist von „destruktivem Narzissmus“. Historisch Denkenden jagt allein die Vorstellung von „Scheiterhaufen“ für die Kunst einen Schreck ein.

In der Tat: Was berechtigt Manfredi zu der Forderung, der Staat müsse einspringen, nur weil er mit seinem privaten Projekt nicht weiterkommt? Es mag ja sein, dass die Sammlung von gewissem Rang ist und das Ende des CAM eine traurige Sache darstellt. Aber weshalb muss sich der Staat durch die „Vernichtung künstlerischer Werte“ zur Fortführung eines Projekts erpressen lassen, das er nie bestellt hat? Der Fall ist zu komplex für die Anklage, Italien vernachlässige „wieder einmal“ seine Kunst.

Anderswo ist die Anklage schon berechtigter. In Neapel ist das noble „Donna-Regina-Museum für Zeitgenössische Kunst“ („Madre“) finanziell am Ende. Das ist es auch, weil es keiner so recht will. Die Besucher bleiben aus, der politische Wind hat sich gedreht. Das „Madre“ war ein Prestige-Projekt von Antonio Bassolino, dem linken Gouverneur der Region Kampanien, und es blieb die Angelegenheit seines politischen Klans und Ausdruck seiner Vetternwirtschaft. Heute regiert ein rechter Klan in Kampanien, der macht für ein „linkes“ Museum keinen Finger krumm. Und überhaupt lässt sich darüber diskutieren, warum Neapel ein Museum moderner Kunst braucht, während nebenan wertvolle Barockpaläste und Kirchen wegen Geldmangel und Geringschätzung zerfallen.

Im Grunde hat Italien aus seinen 3000 Jahren Geschichte zu viel geerbt. Kulturminister der Regierung Berlusconi brüsteten sich gerne damit, dass sich in Italien 60 oder 70 Prozent der gesamten Weltkunst befänden. Doch wenn schon für den Erhalt kein Geld da ist, wo sollen dann die Mittel für eine moderne Fortentwicklung herkommen? Gerade Berlusconi hat den Etat des Kulturministeriums stetig geschmälert: von 2,2 Milliarden Euro im Jahr 2001 auf heute 1,5 Milliarden Euro. „Von Kunst kann man ja nicht abbeißen“, pflegte der zuständige Minister zu sagen.

Könnte man doch, wenn es eine effizientere Verwaltung gäbe. Das Museum of Modern Art in New York macht es vor. Alleine 2010 hat es genauso viel eingenommen wie Italiens staatliche Museen zusammen. Und dies, obwohl das MoMA nur drei Millionen Besucher verzeichnete, Italiens Museen hingegen 17,9 Millionen.

In der Finanzkrise hat die Regierung kein Geld zur Aufstockung des Kulturetats übrig. Das wäre sicher anders, wenn die Italiener ihren Staat nicht um jährlich 130 bis 150 Milliarden Euro Steuern betrügen würden. So gesehen war es eine Leistung, dass die Regierung nun doch noch 76 Millionen Euro für die Kunst aufgetrieben hat. Von denen bleiben allerdings 48 Millionen Euro in drei mailändischen und neapolitanischen Spitzenmuseen hängen, den Rest teilen sich sieben weitere „klassische“ Großinstitutionen.

Die privaten Sponsoren, auf die man baute, machen sich in der Krise rar. Daher steckt nun das spektakuläre, von Zaha Hadid in Rom gebaute und vor zwei Jahren eröffnete „Maxxi“ in der Krise. In dem „Museum für die Kunst des 21. Jahrhunderts“ soll ein staatlicher Zwangsverwalter finanziell jetzt richten, was die staatlich mitgetragene Gründungs- und Träger-Stiftung angeblich nicht geschafft hat.

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