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Kultur in Schwerin: Faszinierend schimmerts aus der Tiefe

Ob alte Meister aus Holland oder k.u.k. Operetten-Klassiker, ob höfisches Leben im Märchenschloss oder bäuerlicher Alltag: Schwerin lockt im Sommer mit hochkarätigen Kulturangeboten.

Achtung! Wir haben auch im Sommer geöffnet! Am liebsten würde Dirk Blübaum, der Direktor des Staatlichen Museums Schwerin, eine riesige Hinweistafel vor seinem Haus aufbauen. Denn jedes Jahr in den warmen Monaten verschwindet der klassizistische Tempel, in dem die Kunstsammlung der Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern untergebracht ist, hinter den Aufbauten der Schweriner Schlossfestspiele. Das Open-Air-Spektakel des örtlichen Theaters ist ein echter Touristenmagnet – nur das Museum hat nichts davon.

Denn während der Spielzeit verdecken die Container mit den Künstlergarderoben die Sicht auf den Eingang unter der prachtvollen Freitreppe. Rund um den so genannten Alten Garten findet der Besucher in Schwerin ein einmaliges architektonisches Ensemble, bestehend aus dem märchenhaft verschnörkelten Schloss, dem Staatstheater und dem klassizistischen Museum. 1882 ließ sich Großherzog Friedrich Franz II. von Hermann Willebrand ein Ausstellungshaus bauen, das mit einer Flucht von Oberlicht-Sälen seiner privaten Kunstsammlung ideale Präsentationsmöglichkeiten bot.

Die im 17. Jahrhundert begonnene Kollektion hat sich bis heute erhalten – und so staunt selbst der Gast aus der Hauptstadt nicht schlecht, wenn er die Fülle niederländischer Malerei erblickt, die hier präsentiert wird. Da sind herrliche Stillleben, dramatische Seestücke und feine Porträts. Namen wie Frans Hals oder Carel Fabricius lassen die Kenner ehrfurchtsvoll nicken. Den Laien beeindruckt besonders die weltgrößte Sammlung des französischen Tiermalers Jean-Baptiste Oudry: Ein eigener Saal ist für die exotischen Tiere vom Nashorn bis zum Leoparden reserviert, die der Franzose Mitte des 18. Jahrhunderts naturgetreu festgehalten hat.

Ergänzend zu den Alten Meistern gibt es Wechselausstellungen: Ab 14. Juni beispielsweise geht es unter dem Titel „Schimmern aus der Tiefe“ um die Faszination von Muscheln, Schnecken und Perlen. Wie es unter Fürsten im 18. Jahrhundert Mode war, legte sich auch der mecklenburgische Herrscher eine Wunderkammer an, in der er die verrücktesten und exotischsten Gegenstände versammelte, darunter eine 85 Zentimeter große Muschel. Aber auch als kunstvoll gefasste Gefäße, auf Gemälden oder in Folianten mit wissenschaftlichen Abhandlungen wird man in der Ausstellung auf die faszinierenden Naturformen treffen.

Wie in Versailles

Wenn das Museum abends seine Pforten schließt, beginnen sich die Musikfreunde für die Vorstellung der Schlossfestspiele im Alten Garten zu versammeln: Seit 1993 gibt es das sommerliche Musiktheatervergnügen schon, das jeweils Zehntausende anzieht. Normalerweise werden große Verdi-Opern gespielt, in diesem Jahr aber hat man sich für eine Operette entschieden: 23 Vorstellungen von Johann Strauß' „Fledermaus“ sind ab dem 14. Juni angesetzt, für die Rolle des Gerichtsdieners Frosch konnte der als „Landarzt“ berühmt gewordenen Walter Plathe gewonnen werden. Der gehörte übrigens als blutjunger Hochschulabsolvent von 1971–74 zum Ensemble des Schweriner Theaters.

Für die musikalische Begleitung sorgt das drittälteste Orchester auf deutschem Boden: Am 17. Juni wird die Mecklenburgische Staatskapelle ihr 450-jähriges Bestehen mit einem Wandelkonzert in der ganzen Stadt feiern, im Juli geht sie dann auf Tour durchs Land: Bei den „Meckproms“ erklingt Heiteres in Ludwigslust, Güstrow, Wismar, auf Schloss Bothmer und natürlich auch in Schwerin. Die meisten Touristen zieht es in der Landeshauptstadt natürlich zum Schloss direkt am Schweriner See, das mit seinen vergoldeten Kuppeln, seinen Türmchen und überreichen Stuckaturen aussieht wie von Walt Disney persönlich entworfen.

Nach dem Vorbild der Loire-Schlösser ließ sich Friedrich Franz seine Residenz im 19. Jahrhundert umbauen, für den herzoglichen Garten griff man unter anderem auf Ideen aus Versailles zurück. Wer sich vom historistischen Prunk erschlagen fühlt, kann auf der gegenüber liegenden Seeseite in das Leben der bäuerlichen Bevölkerung eintauchen. Im Museumsdorf Muess wird nichts beschönigt, hier trifft man auf keine ländliche Idylle, so malerisch die original erhaltenen Häuser auch zwischen alten Obstbäumen stehen.

Ob in der Fischerhütte, der Dorfschule oder einem winzigen Hirtenkaten, in dem zwei Familien auf kaum 40 Quadratmetern wohnten, hier werden die sozialen Ungleichheiten zwischen der arbeitenden Bevölkerung und dem luxuriösen Leben bei Hofe unmittelbar verständlich. In dem Freilichtmuseum geht es allerdings nicht nur um Volkskunde, hier finden auch Ausstellungen statt – und regelmäßig gastiert das Schweriner Staatstheater mit einer Inszenierung auf Plattdeutsch.

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