zum Hauptinhalt
Hausherrin. Heike Kramer, 49, trägt nun den Titel „Generalbevollmächtigte“.

© picture alliance / dpa

Kultur-Schloss-Chefin Heike Kramer: Herzprämie für Neuhardenberg

Heike Kramer folgt auf Bernd Kauffmann: Was die neue Leiterin mit dem Kultur-Schloss in Märkisch-Oderland vorhat.

Das letzte Mai-Wochenende wird mörderisch: Dann liest Nicole Heesters aus Patricia-Highsmith-Krimis und Christine Urspruch spürt den Fällen von Agatha Christies Detektiv Hercule Poirot nach. Ein weibliches „Tatort“-Quartett hat Heike Kramer, die neue Generalbevollmächtigte des Schlosses Neuhardenberg, in das 3000-Seelen-Dorf 70 Kilometer nordöstlich von Berlin eingeladen.

Nicole Heesters war 1978 die allererste Frau unter den Sonntagabend-Ermittlern, Christine Urspruch – TV-Spitzname „Alberich“ – gehört seit 2002 zum Münsteraner Kult-Team. Neu eingestiegen sind dagegen Dagmar Manzel und Meret Becker, zwei doppelt Begabte, die darum auch in der Schinkel-Kirche mit Musikalischem auftreten, Frau Manzel mit Chansons von Friedrich Hollaender, Frau Becker mit ihrem neuen Programm, das um gescheiterte Liebesträume kreist. Flankiert werden die Schauspielerinnen vom Bestsellerautor Sebastian Fitzek und dem Kölner „Tatort“-Gerichtsmediziner Jo Bausch, die ein Diskussions-Duett über die „Faszination Verbrechen“ ankündigen.

Der Zwei-Tage-Krimi-Marathon steht symptomatisch für einen Generations-, vor allem aber auch für einen Perspektivwechsel in Neuhardenberg. 13 Jahre lang hat Bernd Kauffmann das kulturelle Programm in dem klassizistischen Kleinod bestimmt, das der Deutsche Sparkassen- und Giroverband 1997 von den Hardenberg-Erben gekauft und für 60 Millionen Euro aufs Feinste renoviert hat. 2002 startete der smarte Kultur-Entrepreneur das ehrgeizige Projekt, jottweedee eine Begegnungsstätte der Künste zu etablieren, einen Ort des Gedankenaustausches.

Und es ist tatsächlich ein märkisches Arkadien daraus geworden, gleichermaßen geschätzt von ausflugsfreudigen Hauptstädtern wie von den Menschen, die ringsum wohnen, in der flachen, von der Natur wenig gesegneten Landschaft zwischen Zeuthen und Frankfurt an der Oder. Für „Schillersche Selbstdenker“ seien seine Programme gemacht, erklärte Kauffmann auf Nachfrage. Man könnte auch sagen: Für die best ager der Toskana-Fraktion, für Intellektuelle seines Schlages also. Angela Winkler und Klaus Maria Brandauer, Volker Schlöndorff und Udo Lindenberg, das waren Namen, die man in Neuhardenberg antreffen konnte.

Heike Kramer arbeitete als Museumspädagogin bei der Stiftung Weimarer Klassik

Diesen Personenkreis will Heike Kramer nun erweitern. Kleinschrittig und sensibel – denn offiziell ist es ihr Ziel, „die von Bernd Kauffmann begründete Tradition fortzusetzen“. Dass sie aus Thüringen stammt, hört man der promovierten Literaturwissenschaftlerin nicht an. 1965 wurde sie in Erfurt geboren, wo sie auch studierte und das Ende der DDR erlebte – mit dem sich auf einen Schlag alle ihre beruflichen Perspektiven verflüchtigen. So zögerte sie nicht lange, als sich die Chance ergab, als Museumspädagogin bei der Stiftung Weimarer Klassik einzusteigen.

Und auch als ihr der frisch installierte Stiftungspräsident Bernd Kauffmann 2001 den Posten einer persönlichen Referentin anbietet, greift sie sofort zu – „obwohl mir das Jobprofil da noch nicht ganz klar war“. Aber sie fuchst sich rein, macht sich unentbehrlich, vor allem bei der Sponsorenakquise in Vorbereitung des Weimarer Kulturhauptstadtjahres 1999. Was ihr wiederum ein Jobangebot aus Berlin einbringt: Der Sparkassen- und Giroverband verlockt sie zum Wechsel auf die Seite der Wirtschaft, als Kuratorin des bankeigenen Kulturfonds.

Die Sparkassen investieren jährlich 150 Millionen ins Kultursponsoring

Leuchtturmförderung zu betreiben ist dabei ihre Aufgabe, die Zusammenarbeit von Top-Museen und -Festivals mit den jeweils zuständigen Sparkassen-Gremien auf regionaler Ebene zu koordinieren, ihr täglich Brot. 150 Millionen Euro jährlich investieren die Sparkassen in Kultursponsoring, da lässt sich einiges bewegen. Und weil Heike Kramer eine bekennende Teamplayerin ist, traut sie sich zu, parallel nun auch noch die Bespielung von Neuhardenberg hinzubekommen, unter dem von Kauffmann eingeführten, preußisch-militärisch klingenden Titel einer „Generalbevollmächtigten“.

Mit Heike Kramer über ihre Arbeit zu sprechen, ist angenehm, denn sie argumentiert stringent und druckreif. Gleichzeitig hat sie sich in den 15 Jahren beim Sparkassen- und Giroverband aber auch diese spezielle, „proaktive“ Vorstandsetagen-Rhetorik angewöhnt, in der niemals Probleme vorkommen, sondern immer nur Herausforderungen. Wenn Heike Kramer also sagt, sie wolle die Mutter-Tochter-Beziehung zwischen der Finanzgruppe und Neuhardenberg stärken, dann kann man das auch so übersetzen: In Niedrigzinszeiten steigt der Rechtfertigungsdruck für eine schöngeistige Unternehmung im hintersten Brandenburg, die nolens volens von allen deutschen Sparkassen alimentiert wird.

Also setzt Heike Kramer auf Synergien mit Projekten, die traditionell von den Sparkassen unterstützt werden wie „Jugend musiziert“. Damit auch der Bankdirektor aus Trier oder Passau die Zwangsabgabe als Herzprämie verbuchen kann. Im August wird es unter der Leitung des Cellisten Jan Vogler den ersten Workshop für Preisträger des Hochbegabtenwettbewerbs geben, inklusive öffentlichem Schüler- und Dozentenkonzert. Und auch Stargeiger Daniel Hope hat zugesagt, bei diesem Förderformat mitzumachen.

Im Rahmen eines neuen Fotografie- Schwerpunkts bekommen Meisterschüler der Kunsthochschule Weißensee die Möglichkeit, im Foyer des großen Veranstaltungssaals auszustellen. Derzeit zeigt der 1981 geborene Lars Hübner seine Impressionen aus Taiwan. Mit dem Gripstheater ist eine Kooperation vereinbart, im Rahmen derer ein neues „Don Quijote“-Stück seine deutsche Erstaufführung in Neuhardenberg erleben wird. Mit Dieter Kosslick schließlich plant Heike Kramer derzeit eine Reihe mit Freiluft-Kinoabenden. Dabei sollen Filme gezeigt werden, in denen Parks eine wichtige Rolle spielen.

Und auch Bernd Kauffmann hat die Neuhardenberger Bühne nicht ganz verlassen: Bei „Seite 1“, einem „Theaterstück für einen Mann und sein Smartphone“, das hier am 1. Mai mit Boris Aljinovic Premiere feiern wird, fungiert er als Regisseur.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false