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Kulturpolitik: Orchester beklagen "finanzielle Talfahrt"

"Im Westen geht die Sonne nicht auf, im Osten geht sie langsam unter", beschrieb der Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung (DOV), Gerald Mertens, die Situation seiner Kollegen.

Berlin - Die deutsche Orchesterlandschaft ist nach Ansicht des zuständigen Berufsverbandes durch Personalabbau und «finanzielle Talfahrten» vor allem im Osten des Landes akut bedroht. «Die Lage ist stellenweise verzweifelt, insgesamt aber noch nicht hoffnungslos», meinte Mertens auf der Jahrespressekonferenz in Berlin.

«Die ganze Welt beneidet uns um unsere reiche Kultur- und Musiktradition - und wir lassen sie langsam, aber stetig verkommen. Wenn wir da nicht gegensteuern, ist der Orchesterstandort Deutschland in großer Gefahr.» Zwar sei die Gesamtzahl der Orchester in den vergangenen zwei Jahren mit 135 stabil geblieben, doch habe sich der Stellenabbau mit 273 gestrichenen Stellen wieder beschleunigt gegenüber 120 im Vergleichszeitraum davor. Gegenwärtig gebe es noch 10 052 Musikerstellen, während es 1992 in 168 Orchestern noch 12 159 waren.

Besonders betroffen seien mit fast 40 Prozent Stellenabbau seither (knapp 7 Prozent im Westen) die Orchester in Ostdeutschland. Hier verzichteten schon etwa die Hälfte aller Orchestermusiker auf Teile ihres Gehalts, um möglichst viele Arbeitsplätze vorläufig zu sichern. In Rostock drohe beispielsweise eine Entlassungswelle bei der Norddeutschen Philharmonie, wenn dort wie geplant der Zuschuss für das einzige große Orchester des Landes massiv gekürzt werde. In Frankfurt (Oder) werde ebenfalls eine massive Verkleinerung des Brandenburgischen Staatsorchesters diskutiert. Ähnlich «alarmierende Nachrichten» gebe es aus Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Viele Orchester in Deutschland drohten zudem wegen der wenigen Neueinstellungen strukturell zu überaltern, «mit allen gesundheitlichen, künstlerischen und klanglichen Folgen», wie Mertens meinte. Laut DOV entlassen die 24 deutschen Musikhochschulen jährlich 500 bis 600 Absolventen im Fach Orchestermusik auf den Markt, der jährlich nur noch 100 bis 150 frei werdende Stellen anbiete. Inzwischen würden als Reaktion darauf erstmals seit Jahren die Erstsemesterzahlen an den Musikhochschulen sinken. (tso/dpa)

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