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Kultur: Kung! Fu! Hau! Rein! Wu! Tang!

Die erfolgreichste Hiphop-Band der Welt triumphiert beim Greenville-Festival im brandenburgischen Paaren.

Was für eine bunte Mischung ist das Programm beim zweiten Greenville-Festival im dörflichen Paaren im Glien, ein paar Kilometer außerhalb Berlins. Drei Tage lang treten auf dem Gelände des hiesigen „Erlebnisparks“, zu dessen Attraktionen sonst Dam- und Muffelwild im Gehege sowie eine Schaukäserei zählen, Bands und DJs aller erdenklichen Richtungen auf. Von Westbam bis zur Bloodhound Gang reicht das Spektrum, von den Ohrbooten bis Tocotronic. Festival halt, da soll für jeden Geschmack etwas dabei sein. Eindeutiger Höhepunkt aber: ein Auftritt des Wu-Tang Clan aus New York, der – da sind sich alle Freunde des Genres einig – größten Hiphop-Band aller Zeiten.

Um von Berlin nach Paaren zu kommen, fährt man nach Spandau, von dort geht es durch die Wälder nach Schönwalde und Pausin, vorbei an Landgasthöfen und Biergärten, mitten in die Pampa. Das Greenville-Festival beerbt das sogenannte Berlin-Festival, das zuvor im „Erlebnispark“ stattgefunden hatte, bevor es seinem Namen gerecht wurde und auf das Gelände des ehemaligen Flughafens Schönefeld umzog. Das Berlin-Festival in Paaren funktionierte nie so richtig, weil es wie ein Etikettenschwindel wirkte. Greenville dagegen will gar nicht mehr die Berliner zu einem Ausflug ins Grüne animieren, sondern die Festivalhopper von überallher ansprechen.

Schon im letzten Jahr ging das Konzept auf. Zu Headlinern wie Iggy & The Stooges und den Flaming Lips kamen um die 10 000 Besucher. Man reiste bevorzugt mit Zelt und Camper an, so wie es sich für ein richtiges Festival gehört. Auch dieses Jahr hat sich auf dem riesigen Gelände eine Zeltstadt ausgebreitet. Alles ist gut organisiert, die Konzerte beginnen pünktlich, und Besucher bekommen mitgeteilt, dass sie für einen abgegebenen Sack voller Müll ein paar Euro bekommen. Nur die Getränkepreise sind angesichts der Temperaturen an diesem Hitzerekordwochenende eindeutig zu hoch.

Gegen 21.30 Uhr lässt sich am Samstag ein spektakuläres Wetterleuchten beobachten. Es blitzt, aber es donnert nicht, und es wirkt wie eine Lightshow, organisiert von ganz oben. Und dann ist es wirklich so weit. Vorne, auf der großen Freiluftbühne, wo es nach Sommer und Wald riecht, steht sich eine Horde von Rappern, neun an der Zahl, auf den Füßen. Ghostface Killa, U-God, GZA, Raekwon, Inspectah Deck, Cappadonna und all die anderen begnadeten Clanfreaks leiten ihre Show ein, die sie auch als Jubiläumsfeier von „Enter The Wu-Tang (36 Chambers)“, ihrem Debütalbum, einem Meilenstein der Hiphop-Geschichte, verstanden wissen wollen.

20 Jahre Wu-Tang Clan, daran mochte bis vor Kurzem niemand mehr glauben. Ende der neunziger Jahre, nach den unfassbaren kommerziellen und künstlerischen Erfolgen des Clans und seiner Mitglieder, die allesamt auch solo Hiphop-Klassiker aufgenommen hatten, lebte sich die Band Anfang des neuen Jahrtausends auseinander.

Die Egos und künstlerischen Visionen der einzelnen Rapper konnten immer schwerer zusammengehalten werden. Dazu kam der dramatische Tod von Ol’ Dirty Bastard, dem talentiertesten, aber auch exzentrischsten Rapper der Combo, der seine Drogensucht einfach nicht mehr in den Griff bekam. Außerdem entfremdete sich RZA, Kopf und Hirn der Truppe, zusehends vom Rest RZA, der die ausgetüftelten Beats des Clans produziert und seine Markenzeichen, die Samples aus Kung-Fu-Filmen, erfand, wurde zu einem größeren Star als all die anderen, was das Bandgefüge noch weiter durcheinanderbrachte.

Er bekam den Ruf eines Produzentengotts, den selbst Kanye West, der kaum jemanden für größer hält als sich selbst, verehrt. Heute ist RZA einer der besten Kumpels von Quentin Tarantino und hat unlängst selbst einen Kung-Fu-Film gedreht, in dem er selbst die Hauptrolle spielt. Der Wu-Tang Clan jedoch, sagte er noch bis vor Kurzem, sei für ihn Geschichte. Doch jetzt scheint wieder alles anders zu sein. Noch in diesem Jahr soll mit „A Better Tomorrow“ ein neues Album erscheinen. Mit RZA.

Es ist immer noch schwül, der heiße Tag war anstrengend, und doch müssen die Rapper nicht viel tun, um für Euphorie beim Publikum zu sorgen. „Was braucht es für einen Auftritt des Wu-Tang Clan?“ wird von der Bühne her gefragt. Und die Antwort gleich hinterhergeschickt: „Ein paar Joints und Energie“. Johlen im Publikum, alle Hände in der Luft, allerdings wird eher Bier getrunken als gekifft. Einig sind sich auch alle bei der Ansage: „Wu-Tang Clan ist die beste Hiphop-Combo aller Zeiten.“ Nein, daran zweifelt hier niemand.

Mal rappt der eine, dann der andere, da kreist ständig das Mikrophon umher. Eine Flasche Champagner wird verspritzt, und zwischen den einzelnen Nummern erklingen immer wieder fernöstliche Weisheiten und die Geräusche klirrender Schwerter aus den gesampelten Kung-Fu-Filmen. Der Wu-Tang Clan lebt. Und am Himmel immer noch das Wetterleuchten. Andreas Hartmann

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