zum Hauptinhalt
Vermisst. Ai Weiwei 2009 in seinem Haus am Stadtrand von Peking.

© AFP

Kunst der Aufklärung: Museen in der Zwickmühle

Die Ausstellung "Die Kunst der Aufklärung" war ein Versuch, den Wandel in China durch Annäherung herbeizuführen. Doch der Fall Ai Weiwei zwingt die deutschen Museumsmacher, über den Export von Ausstellungen neu nachzudenken.

„Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit.“ Dieser schöne Satz aus Schillers Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen steht am Schluss des Protestes der Akademie der Künste gegen Ai Weiweis Verhaftung. Wäre es nur so, möchte man rufen, ist die Kunst doch zugleich ein Spross der Politik, des Business – zumindest in China. An der Ausstellung „Die Kunst der Aufklärung“ in Peking scheiden sich die Geister. Mehr denn je. Müssen die Inhaftierung des bekanntesten chinesischen Künstlers, der zeitweilige Hausarrest seiner Mitarbeiter, die Durchsuchung seines Ateliers nicht als letzte Zeichen dafür gelten, dass die Strategie der "soft power" gescheitert ist, dass die Museen dramatisch über den Tisch gezogen wurden? Von wegen Wandel durch Annäherung.

Für die Macher des Großprojekts in Peking bleibt es trotzdem dabei: Annäherung gelingt nur durch Dialog, vom Abbruch des Kontakts würde niemand profitieren – es wäre das falsche Zeichen. Klaus Schrenk, Generaldirektor der bayerischen Staatsgemäldesammlungen und damit neben Berlin und Dresden Dritter im Ausstellungsbunde, zeigte sich nach der Verhaftung Ai Weiweis „deprimiert“. Er hatte den Bildhauer bei seiner großen Münchner Ausstellung vor zwei Jahren im Haus der Kunst persönlich kennengelernt. Damals war Ai kurz zuvor von chinesischen Polizisten attackiert worden und musste in Deutschland notoperiert werden. Und doch hält der Museumsmann fest am Mittel Ausstellungsexport: „Die Kultur fordert solche Nagelproben heraus, man muss sich ihnen stellen.“ Vehement wehrt er sich gegen den Vorwurf der Naivität, in ein Land der Zensur auf diese Weise Gedankenfreiheit verpflanzen zu wollen. Nach drei Tagen Laufzeit will er das Experiment „Die Kunst der Aufklärung“ noch nicht als endgültig gescheitert ansehen.

Die Mercator-Stiftung aber, die das Rahmenprogramm der Pekinger Ausstellung finanziert, schaut sehr genau hin, wie in den nächsten Wochen und Monaten die sogenannten Foren und unabhängig vom Gastgeberland organisierten Salons verlaufen: ob es Repressionen gegenüber chinesischen Teilnehmern gibt, wie weit sich die politische Kontrolle auswirkt. „Wir halten uns alle Optionen offen“, so Michael Schwarz, der das Kompetenzzentrum Internationale Verständigung der Stiftung leitet. Die formelle Steifheit des ersten Forums kurz nach der Eröffnung überraschte ihn kaum, auch wenn auf die Frage nach der kurzfristigen Ausladung Tilman Spenglers schroff mit den Worten „Wir sind hier nicht die Visa-Abteilung“ geantwortet wurde. Für Schwarz besteht der Fortschritt bereits darin, dass Fragen zugelassen waren. Der Fall Ai Weiwei zeige umso mehr, wie wichtig der Dialog mit China sei. Dazu gebe es keine Alternative.

Derweil gibt es auch am dritten Tag nach der Verhaftung immer noch keine neue Nachricht vom Verbleib des Künstlers. Sein Berliner Galerist Tim Neuger äußerte sich „beunruhigt und besorgt“. Die Vorbereitungen für seine Ende April geplante Ausstellung laufen weiter. Noch hofft Neuger, dass der Künstler zur Eröffnung anreisen wird. Ai Weiwei hatte sich in Berlin bereits nach einem neuen Atelier umgeschaut, um hier einen Standort in Europa aufzubauen. Aus dem ursprünglich gedachten „halben“ Exil dürfte dann ein ganzes werden.

Nach Ansicht von Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste, wird am Beispiel des prominenten Bildhauers nun vorgeführt, wie es die chinesischen Behörden tatsächlich mit der Aufklärung halten: „eine Farce“. „Der Fehler wurde schon im Vorfeld gemacht, man wusste, mit wem man es zu tun hat.“ Trotzdem verteidigt auch Staeck die Strategie „Wandel durch Annäherung“: „Man kann nicht genug Sand in solche Systeme streuen.“ Die Verhaftung Ai Weiweis am Tag nach der Abreise des deutschen Außenministers sei zwar ein Affront gegen die Bundesrepublik, vor allem aber ein Zeichen der Angst vor Meinungsfreiheit und davor, dass der Funke aus der arabischen Welt überspringen könne.

Den Aufbruch im Norden Afrikas sieht auch Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin und damit einer der Bilderlieferanten für „Die Kunst der Aufklärung“, als Anlass für die rasante Verschlechterung des Klimas in den vergangenen Monaten. „Ich bin frustriert“, sagt er. „Wir wussten zwar, dass es in China keine Demokratie nach unserem Verständnis gibt und dort nicht der gleiche Respekt vor Menschen gilt wie bei uns“, gesteht er ein, doch zu Beginn der Ausstellungsplanung hätten die Zeichen mehr auf Aufbruch gestanden. Damals suchten die Chinesen noch nach anderen Werten und Identifikationsmustern, wie sie etwa die europäische Aufklärung darstellt. Heute würde er sich anders entscheiden: „Wir müssen uns genau fragen, mit welchen Regimes wir uns einlassen.“ Trotzdem verteidigt Eissenhauer weiter den wissenschaftlichen Austausch, gerade mit den Herkunftsländern der eigenen Sammlungen.

Damit landet die Kunst wieder bei der Kunst, das Gastspiel auf der politischen Bühne ist ihr nicht bekommen. Max Hollein, Direktor der Schirn in Frankfurt, beobachtet genau, wie die Schau in Peking mal der einen, mal der anderen Seite zugeschlagen wird. Auch er setzt auf kulturellen Austausch, schätzt den Einfluss der Kunst jedoch eher gering ein: „Eine Ausstellung hat noch nicht das Weltgeschehen verändert.“

Für die Museen in Deutschland könnte die „Aufklärungs“-Schau trotzdem zur Wegscheide werden. Fortan wird geprüft werden müssen, für wen der Kulturtransfer gemacht wird: für die Menschen vor Ort oder als Schmiermittel für wirtschaftliche Kooperationen. Ausgerechnet die Freiheit als ein durch die Aufklärung gewonnenes Gut ist durch die deutsche Ausstellung in Peking mit Füßen getreten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false