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Kultur: Kunst der Kuben

Was für eine Wand! 70 Meter ist sie lang, von keinem Fenster unterbrochen.

Was für eine Wand! 70 Meter ist sie lang, von keinem Fenster unterbrochen. Mit Waschbetonplatten verkleidet, ragt sie drei Meter über dunklem Sockel hervor. Eine solche Wand muss man erst einmal aushalten. Und man muss den Mut haben, sie zu errichten - wie der Berliner Architekt Fritz Bornemann bei der 1961 eingeweihten Deutschen Oper. Längst ist die Wand zusammen mit der Skulptur von Hans Uhlmann zu einem Berliner Wahrzeichen geworden.

Die Opern-Foyers sind Orte des Schauens und Flanierens, der wundervollen Eitelkeiten und Erwartungen. Sie bilden einen Raum, der bei aller Klarheit festlich ist, mit seiner dunklen Rückwand aus Holz, den Bar-Tresen in den Seitenfoyers und den freitragenden Treppen, die der Statiker mühsam berechnen musste, lange bevor hilfreiche Computerprogramme ihm dies hätten abnehmen können.

Die in den Jahren 1955 bis 1961 entstandene Deutsche Oper ist fraglos das opus magnum im Werk von Fritz Bornemann. Doch sie ist bei weitem nicht der einzige Bau, mit dem er seine Position in der Berliner Baugeschichte verankert hat. Der 1912 in Berlin geborene Architekt, der noch an der TU bei Hans Poelzig studieren konnte, hat stets das öffentliche Bauen in den Mittelpunkt seiner Arbeit gerückt. Den Auftakt bildete die zu Beginn der fünfziger Jahre errichtete Amerika-Gedenkbibliothek, bei der er dafür gesorgt hat, dass sie als Freihandbibliothek verwirklicht wurde. Den Neubau des Rathauses Wedding entwarf er Mitte der fünfziger Jahre - der Bau selbst zog sich bis 1963 hin -, dann folgte die Freie Volksbühne (1960/63) in der Schaperstraße, die lange von Zerstörung und Verschandelung bedroht war und nun als Festspielhaus neuen alten Dienst tut. Mit Wils Ebert zeichnet er für den Neubau des Dahlemer Völkerkundemuseums verantwortlich (eröffnet 1970/73), das mittlerweile als Altlast behandelt wird, aus dem die Museen schleunigst ausziehen wollen. Und als deutsche Beiträge für Weltausstellungen noch nicht zu Investorenselbstdarstellungen verkommen waren, schuf Bornemann für Osaka 1970 eine ebenso avantgardistische wie komplexe Landschaftsstruktur aus weitgehend unterirdischen Kreisbauten. Dort konnten die Besucher, denen im Vorfeld der Münchener Olympiade ein modernes Deutschland präsentiert werden sollte, täglich Konzertaufführungen von Karlheinz Stockhausen erleben. Soviel Moderne war nie. Denn sie bedarf ihrer künstlerischen Vorreiter und Behüter - wie Fritz Bornemann, der unverdrossen für die Bewahrung seiner Bauten streitet. Heute feiert der Architekt seinen 90. Geburtstag. An einer angemessenen architekturgeschichtlichen Würdigung seines Werkes hat es freilich bisher gefehlt. Sie ist nun endlich in Vorbereitung und soll im Herbst von einer Ausstellung in der Kunstbibliothek begleitet werden.

Jürgen Tietz

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