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Kultur: Kunst der Sprache: Am Anfang war das Wort

Gab sich Gott mit den physikalischen Feinheiten der Lichtwerdung ab oder sprach er einfach "Es werde Licht"? Die größte Bescheidenheit kommt in der Kunst manchmal einer gottähnlichen Geste der Schöpfung nahe.

Gab sich Gott mit den physikalischen Feinheiten der Lichtwerdung ab oder sprach er einfach "Es werde Licht"? Die größte Bescheidenheit kommt in der Kunst manchmal einer gottähnlichen Geste der Schöpfung nahe. Etwas von dem Atem, der das Licht vom Dunkel und die Wasser von der Erde schied, weht durch die jüngste Formel von Lawrence Weiner, die er der Galerie von Anselm Dreher vermachte: "Dust + Water put somewhere / between the sky & the earth". Die Linie, die beide Textzeilen voneinander trennt, ahmt dabei jene horizontale Abgrenzung nach, von der die Rede ist. Form und Inhalt werden deckungsgleich.

Sprache hat Macht über die Kunst, spätestens dann, wenn ihre Rezeption von sprachlichen Vermittlungen überwuchert wird. Die Erkenntnis, dass in der Kommunikation über Kunst fast nie die Sache selbst, sondern meist nur eine Interpretation ihres Inhaltes vermittelt wird, brachte Lawrence Weiner dazu, nach einer Form zu suchen, in der der Inhalt mit der Sache identisch wird. Seine Wortkunst beschreibt sich selbst. Keine anderen Werke der bildenden Kunst sind so einfach sprachlich wiederzugeben. So weit auch der Spielraum möglicher Realisierungen reicht, ihr Ausgangspunkt ist von präziser Eindeutigkeit. In diesem Sinn behält der Autor das Heft in der Hand.

Kunst auf Nachfrage

Dabei versucht Weiner zugleich, seine Autorenrolle möglichst demokratisch mit den Betrachtern seiner Kunst zu teilen. Denn die sprachlichen Vorgaben finden entweder in dessen Vorstellungskraft ihre Verlängerung oder werden auf Wunsch eines Auftraggebers realisiert. So hat es Weiner in einem kleinen Regelwerk formuliert, das auch hier aushängt. Mit diesem Prinzip, dass die Nachfrage den Realisationen vorausgeht, hat er seiner Kunst eine ungewöhnliche Legitimation verschafft. Wo immer sie sichtbar wird, gab es jemanden, der sie so wollte.

Die fast bürokratische Sachlichkeit und Beschränkung auf das trockene Gerüst der Worte hat der Konzeptkunst den Ruf des Unsinnlichen eingetragen. Der Leser wird auf seine eigenen inneren Bilder zurückgeworfen. Die stellen sich überraschenderweise leichter zu Weiners schlanken Formeln ein, als zu den Arbeiten von Joseph Kosuth und Arnold Dreyblatt, die mit Weiner verglichen, verschwenderisch tief in die Kiste der Literatur eingreifen. Kosuth zitiert einen Text von Freud, der sich mit dem Abirren der Gedanken beim lauten Lesen beschäftigt. Wieder ist die Spur der Rezeption vorgezeichnet, diesmal als Bewegung des Auseinandergleitens von Wortsinn und Inhalt. Die Beschreibung der Fehlleistungen wird überblendet mit einer Leuchtschrift "Description of the same content twice", die, weil sie vom unteren Text ablenkt, genau das tut, was dieser beschreibt und somit wiederholt.

Weicher und poetischer ist der "Wunderblock" von Arnold Dreyblatt, dem Jüngsten der drei Amerikaner, der das Abgleichen von Behauptung und Sein noch ein Stück weitertreibt. Er knüpft an die Freud-Lektüre von Kosuth an und lässt Textfragmente des Analytikers über Erinnern und Vergessen auf einer Tafel erscheinen und verlöschen, die elektronisch ein Kinderspielzeug nachahmt: Jene Carbontafeln, von denen man mit einem Rutsch alles Geschriebene wegwischen konnte. Textzeilen wie "to remove something written", "the process of replacing" oder "to erase, to wipe or rub out" laufen ineinander, überschreiben sich, folgen ihrem Inhalt. Dieses Spiel entfaltet eine Sogkraft, die einen über den Tisch mit der Tafel gebeugt, die Augen den Buchstaben nachgleitend, den übrigen Raum vergessen lässt. So werden Inhalt und Rezeptionshaltung verblüffend zur Deckung gebracht.

Weiner ist zurzeit mehrfach präsent in Berlin: Bis zum 8. Oktober läuft seine Ausstellung in der Deutschen Guggenheim Berlin. Und am Wochenende wird die Oper "the society architect ponders the golden gate bridge", die er mit dem Komponisten Peter Gordon entwickelt hat, im Hamburger Bahnhof uraufgeführt. Ursprünglich wollte Anselm Dreher Zeichnungen und Partituren zu der Oper ausstellen; weil diese aber für ein Buchprojekt gebraucht werden, hat er nun das Trio der alten Konzept-Künstler zusammengeführt.

Katrin Bettina Müller

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