zum Hauptinhalt

Kultur: Kunst-Glück gehabt

Schon Alain, französischer Essayist und Philosoph des Glücks, wußte: "Kein Vergnügen, welches das überträfe, mit seinem Karren über ein Pflaster zu fahren, das man selber gelegt hat." Diese Lebensweisheit haben sich auch die Organisatoren der "Art Frankfurt" in ihrem elften Jahr ins Stammbuch geschrieben, denn nach den Mühsalen einer schlecht laufenden Kunstmesse scheinen sie nun wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

Schon Alain, französischer Essayist und Philosoph des Glücks, wußte: "Kein Vergnügen, welches das überträfe, mit seinem Karren über ein Pflaster zu fahren, das man selber gelegt hat." Diese Lebensweisheit haben sich auch die Organisatoren der "Art Frankfurt" in ihrem elften Jahr ins Stammbuch geschrieben, denn nach den Mühsalen einer schlecht laufenden Kunstmesse scheinen sie nun wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.Nachzulesen ist dieser kluge Spruch in einem kleinen Büchlein, das zusammen mit dem in diesem Jahr zur "Art" herausgegebenen Multiple in Form einer Telefonkarte verteilt wird.Sie ziert ein einziger Schriftzug: das Wort "Glück".Der Multiple-Spezialist Otmar Hörlkam auf diesen ebenso einfachen Einfall wie genialen Gedanken, als er sich fragte: Was brauchen alle Menschen außer einer Telefonkarte? Genau: das Glück.Und so wünscht sich die Telekom, daß die Käufer ihren Telefonchip nach Verbrauch als Glücksbringer noch weiter bei sich tragen.

Wenn das so einfach wäre.Aber ein wenig Beschwörung gehört immer dazu.Auch im Messegeschäft.Dabei scheinen die jüngsten Neuerungen den Frankfurtern recht zu geben.Ähnlich wie in Köln, in der einstmaligen Halle 5, verschaffte Art-Leiterin Marianne El Hariri 1998 den Nachwuchsgalerien ihren eigenen Tummelplatz, indem sie sie gemeinsam im Geschoß unter den etablierteren Kollegen unterbrachte und nur 105 Mark pro Quadratmeter Standgebühr verlangte.Super muß im vergangenen Jahr die Stimmung gewesen, denn das Risiko hielt sich für die jungen Aussteller auch bei Nichtverkauf in Grenzen.

Rekordzahl hieß es deshalb gleich zu Anfang: 600 Galeristen wollten teilnehmen, nur 93 kamen in die obere, 72 in die untere Halle - insgesamt mehr als je zuvor.War die Fluktuation unter den Ausstellern in der Vergangenheit extrem hoch gewesen, so kehren diesmal neunzig Prozent aus dem Vorjahr zurück.Die "Art Frankfurt" hat also ihren Standort im Verein der Kunstmessen gefunden: als Startplatz für Newcomer sowohl auf der Verkäufer- wie Käuferseite, denn das Angebot zeichnet sich vor allem durch gemäßigte Preise aus.Prompt blieben die Messevertreter auf der Eröffnungskonferenz von den sonst üblichen Fragen verschont, wie hoch denn die Defizite und überhaupt die Überlebenschancen wären.

Bleibt zu hoffen, daß die Veranstalter ihr Dumping-Programm zugunsten des Nachwuchses durchhalten, denn ähnlich wie in Berlin ist die "Art Frankfurt" vor allem ein kulturpolitisches Instrument und streng ökonomisch eigentlich nicht gerechtfertigt.Gegründet vom Kulturamt der Stadt noch zu Zeiten Hilmar Hoffmanns, hat die "Art" die Ausläufer des Achtziger-Jahre-Booms gerade noch miterlebt, um umso härter die Flaute der Neunziger sowohl auf dem Kunstmarkt als auch im städtischen Haushalt zu spüren zu bekommen.Heute läuft sie unter der Flagge der Frankfurter Messe GmbH; ihre einstigen Geschwister, die großen Museen, nehmen nur noch mäßig Anteil: keine große Ausstellungseröffnung mehr parallel zur "Art" und ausgerechnet am Vernissagenabend die Verleihung des französischen Ehrenordens an den Kunst-Zampano der Stadt, Jean-Christophe Ammann.

Dem Treiben auf dem Messegelände tut das wenig Abbruch.25 000 Besucher sollen es wieder werden, wenigstens genauso viel wie im vergangenen Jahr.Dem unterbreiteten Angebot nach zu urteilen, müßten eigentlich auch die Verkäufe gut laufen, wenn man nicht allzu große Erwartungen an Spitzenpreise stellt.Wie sagte die Art-Leiterin doch so schön in ihrer Eröffnungsrede: "Es gibt einfach sehr viel mehr Sammler, die 5000 oder 50 000 Mark für ein Kunstwerk ausgeben können, als solche, die eben mal so 5 Millionen übrig haben." Das teuerste Werk der Messe gibt sich deshalb mit 680 000 Mark vergleichsweise bescheiden - ein Gemälde Hans Hartungs aus dem Jahre 1948 bei der Heidelberger Galerie Sacksofsky.Mehr noch soll ein Baumeister von 1953 in der Galerie Sander aus Mainz kosten, genauer Preis jedoch nur auf Anfrage.

Überhaupt war Sander unter den vielen unbekannten Galerien selbst in der Hauptetage eine starke Erscheinung durch die Vielzahl Klassiker einerseits (Asger Jorn für 420 000 Mark, ein fröhlicher Farbstreifen in der Horizontalen von Morris Louis für 450 000 Mark, ein "Concetto Spaziale" des in diesem Jahr Hundertjährigen Lucio Fontana für 380 000 Mark) und Frischware aus den Ateliers der "Young British Artists" andererseits (ein Punkt-Gemälde von Damien Hirst für 380 000 Mark, eine vom Körper abgezogenen Latex-Haut von Marc Quinn für 85 000 Mark und diverse großformatiger Porträts von James Rielly jeweils für 22 500 Mark).

Beinahe sind damit auch schon die Highlights genannt, denn Frankfurt ist mehr ein Ort für Entdeckungen als für gesicherte Käufe.Mag sein, daß auch deshalb der Adam-Elsheimer-Preis, der ganz zu Beginn der "Art"-Ära und ihren hochfliegenden Hoffnungen einem Promi-Galeristen wie Leo Castelli verliehen wurde, diesmal an einen bislang nur Insider-Kreiser bekannten Sammler ging, den Thüringer Unternehmer Lichtenstein aus Göpfersdorf, der zu DDR-Zeiten tapfer Kunst zu kaufen begonnen hatte und auch jetzt noch Strawalde, Uhlig, Libuda, Grimmling und Göschel die Stange hält.Überhaupt die Kunst aus dem Osten Deutschlands: Sie gehört fest zum Programm der "Art", denn hier konnten ihre Händler weit leichter unterschlüpfen als bei den großen Messen in Köln und Basel.Wieviel Gewicht sie wirklich hat, wollten offensichtlich die beiden Galeristen Gunar Barthel und Tobias Tetzner genauer wissen.Sie wuchteten eine 4,5 Tonnen schwere Stahlskulptur von Michael Morgner (180 000 Mark) in ihren Stand, dem auf der Frankfurter Messe bislang schwersten Objekt.Bezeichnenderweise zeigt das Werk die abstrahierte Figur eines sich Aufrichtenden.

Dabei ist Morgners machtvoller Auftritt eine Ausnahme.Ansonsten dominieren die kleinen bis mittleren Formate, viele, viele Multiples, Papierarbeiten zuhauf und natürich Fotografie.Kunstkaufen wird hier leichtgemacht - nicht nur preislich, sondern auch thematisch.Warum eigentlich nicht eine von Cornelius Völkers Handtasche tragenden Mädchen mit kräftiger Farben und schwungvollem Pinselstrich (4000 Mark bei Sies + Höhe, Düsseldorf) oder eine Knoblauchzehe in sattem Öl von Ralph Fleck (3000 Mark bei Winkelmann, Düsseldorf) erwerben? Die Freude an gegenständlicher Malerei kehrt mit ihnen ungetrübt zurück.

Daß Kunst aber auch ein Trip sein kann, verraten die Arbeiten von Bea Emsbach in der Frankfurter Galerie Beckers.Ihren eigentlichen Berufswunsch Astronautin hat sie in die Kunst gerettet und läßt dort in sparsamen Zeichnungen mit roter Tinte geheimnisvolle Raumfahrer ihren rätselhaften Tätigkeiten nachgehen (600 Mark).Wohin das führt? Bei Bea Emsbach zumindest zu eigentümlichen Latexskulpturen, überzogen mit Buchsbaumblättchen.Eine entsprechende Strumpfhose bekam deshalb auch ihr "Mikrokosmonaut" übergezogen (2500 Mark).Ab in den Kunstkosmos!

"Art Frankfurt", Frankfurt am Main, bis 26.April; Katalog 10 Mark.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false