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Ursula Sax' Fastentuch in der Paul-Gerhardt-Kirche verhüllt noch bis Ostern Jesus am Kreuz.

© Markus Rheinfurth

Kunst in der Kirche: Relief aus Farbe

Die Künstlerin Ursula Sax präsentiert in der Paul-Gerhardt-Kirche ein Fastentuch.

Ursula Sax hat an einem Modell geübt. Im Atelier, lange bevor ihre Arbeit in die evangelische Paul-Gerhardt-Kirche in Prenzlauer Berg ging. Ein Altarraum ist schließlich kein Ausstellungsort, an dem sich beliebig experimentieren ließe – und seine sakrale Funktion bedeutet der Künstlerin vielleicht noch einmal mehr als einigen ihrer Vorgänger und Vorgängerinnen. Sax ist religiös geprägt, schon seit der Kindheit. Dass sie nun den Auftrag bekam, die Darstellung von Jesus am Kreuz auf dem Altar der Kirche mit einem Fastentuch zu verhüllen, erfüllt sie mit tiefem Respekt.

Sechs mal acht Meter misst die Arbeit über dem eigentlichen Altarbild von Gerhard Noack. Diese Überlagerung geschieht seit 2011, sie folgt einem Brauch in katholischen wie evangelischen Kirchen und schafft zugleich ein neues, autonomes Kunstwerk. Jedes Jahr bestimmt ein Künstlertrio, wer eine Arbeit im Kirchenraum installiert. Diesmal ging der Auftrag an Ursula Sax, und man kann sagen: Ganz schön spät, aber so geht es der Wahlberlinerin schon länger. 83 Jahre ist sie und blickt auf eine respektable Biografie und öffentliche Arbeiten wie den Brunnen vor dem inzwischen abgerissenen Postgebäude in Spandau zurück. Oder viel prominenter: Die gelbe Stahlplastik „Looping“ in der Nordkurve der Avus von 1992. Ein starkes, weithin sichtbares Zeichen zu den Themen Dynamik und Raumdefinition. Und doch: Nicht jeder kennt sie in Berlin.

Frauen im Rentenalter, die Karriere machen

Es ist Zeit für einen zweiten Start. Sax gehört zu jenen 15 Frauen, die im gerade erschienene Buch „Wir wollen es noch einmal wissen“ aus dem Sandmann-Verlag porträtiert werden. Frauen jenseits der Rente, die ein zweites Mal Karriere machen und teils ganz neue Berufungen für sich entdecken. Sax gehört zu denen, die sich treu bleiben. Ihr Werk wird seit Kurzem wiederentdeckt, demnächst wird das „Geometrische Ballett“ aus den neunziger Jahren wiederaufgeführt – eine Hommage an den Bauhaus-Künstler Oskar Schlemmer. Am Ostersonntag wird es abgehängt, an diesem Samstag ist es noch in der Kirche zu sehen: Zum Fest der Auferstehung Jesu, dem wichtigsten kirchlichen Feiertag, werden die Fastentücher traditionell wieder abgenommen.

Sax hält nicht ehrfürchtig an Traditionen fest

„Religion jetzt noch einmal mit der eigenen Arbeit aufzuwerten, erfüllt mich“, erzählt Ursula Sax der Buchautorin Nicole Andries. Zwar sei die Bibel einst ihr „täglich Brot“ gewesen, aber sie hält nicht ehrfürchtig an den Traditionen fest, sondern verknüpft sie mit dem eigenen künstlerischen Tun: Ihr Fastentuch besteht nicht aus Stoff, sondern aus blauen Papierbahnen. Sax hat sie vielfach geknüllt und wieder glattgestrichen. So ähnelt das Tuch den Fahnen zur Osterprozession.

Ihre Kunst ist vom Übergang geprägt

Oder einem Relief aus Farbe, in sich bewegt und typisch für die Künstlerin: Sax bewegte sich immer schon zwischen den Medien. Sie arbeitet mit Stahl, Ton, Stoff und Papier und probiert seit Jahrzehnten, wie sich ein Gegenstand über das Material plastisch und skulptural umdefinieren lässt. Auch Kruzifixe aus Papier hat sie geformt, dennoch war das Fastentuch ihr erster kirchlicher Auftrag. Die Transformation, der Übergang von einem Zustand in den anderen, prägt ihr Verständnis von Kunst. Verwandlung gehört zum Wesenskern im Werk von Ursula Sax. Was wiederum aufs Schönste zur österlichen Botschaft passt.

Paul-Gerhardt-Kirche, Wisbyer Str. 7, noch an diesem Samstag, 15–18 Uhr und während der Gottesdienste.

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