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Kultur: Kunst ohne Macht

Geist und Macht sind ungleiche Brüder. Wie der Geist von der Macht geliebt werden will und von ihr nur geachtet wird, will die Macht geachtet werden und wird vom Geist nur geliebt - oder verachtet, wie die lange Tradition deutscher Intellektueller zeigt, die politische Führer erst als Symbolfiguren einer neuen Ordnung verehrten und dann verdammten.

Geist und Macht sind ungleiche Brüder. Wie der Geist von der Macht geliebt werden will und von ihr nur geachtet wird, will die Macht geachtet werden und wird vom Geist nur geliebt - oder verachtet, wie die lange Tradition deutscher Intellektueller zeigt, die politische Führer erst als Symbolfiguren einer neuen Ordnung verehrten und dann verdammten. Dass die kritische Intelligenz in Deutschland in den letzten Jahren immer stummer geworden ist, dass Debatten unter jenen, die man als geistige Elite dieses Landes betrachten muss, immer mehr den Anschein eitler Hahnenkämpfe erwecken, macht nicht nur die Misere einer in übergeordneten Kategorien denkenden Vernunft deutlich. Die politische Klasse macht kaum einen Hehl daraus, dass ihnen eine Kultur des Widerspruchs und der moralischen Legitimation ziemlich gleichgültig ist. Soll die Kultur das bedauern? Was hat sie mit der Macht noch zu tun, wenn sie immer weniger mit dem Staat verflochten ist?

Im noblen Atrium der Dresdner Bank am Pariser Platz, wohin der Tagesspiegel aus Anlass der „Coexistence“-Ausstellung vor dem Reichstag zur Diskussion eingeladen hatte, (Moderation: Hellmuth Karasek) mochte man die Frage, „Was kann Kunst in der Politik bewirken?“, nur zögernd beantworten. Von der Decke hingen Miniaturen jener großformatigen Plakate, mit denen internationale Künstler für eine cohabitation in Palästina werben, doch zur Ohnmacht solcher Gesten in Krisenzeiten kein Wort.

Stattdessen zwang Christoph Stölzl die Künstler in die Vorbereiter-Rolle eines geistigen Klimas, das viel stärker als politische Entscheidungen auf ein Gemeinwesens einwirkt, während Plakatkünstler Klaus Staeck daran erinnerte, dass intellektuelle Köpfe nur gerufen würden, „wenn es um die Politik wirklich schlecht steht“. Was auch Stölzls Wahl zum Chef der Berliner CDU nur belege. In der Tat war Stölzl den anderen – neben Staeck Regisseur Andres Veiel und Theaterintendantin Elisabeth Schweeger – suspekt. Markiert er doch den seltenen Fall, wie intellektuelle Reserven gegenüber der Macht fallen, um in eine Partei-Karriere umgemünzt zu werden. Den deutschen Denkern sprach er forsch die Reife ab, auf die Probleme der Welt angemessen zu reagieren: „Wenn Kunst keine Wirkung hat, ist sie nicht mehr als das Damenprogramm der Industriegesellschaft.“ Soviel Revolutionspathos eines Politikers machte die Künstler selbst sprachlos. Sie hätten nicht vermutet, dass es schon so schlecht um sie steht. Kai Müller

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