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KUNST Stücke: Da blüht was

Jens Hinrichsen horcht in das geheime Leben der Pflanzen und Blumen

Die ultimative Keule im Kunststreit heißt „Kunsthandwerk!“ Das Wort diskreditiert, denn wer „Kunsthandwerk“ lobt, der hat seinen Expertenstatus verwirkt. Doch worin unterscheidet sich ein Readymade von Marcel Duchamp eigentlich vom Ursprungsflaschentrockner? Und woher nimmt Jeff Koons die Chuzpe, mit Herrgottschnitzereien und getöpferten Früchtekörben im Museum zu landen? Der Niederländer Geer Pouls hat solche Fragen längst hinter sich. Seine Galerie in Berlin Mitte heißt „Schlechter Geschmack“, was auf Italienisch bloß besser klingt: Brutto Gusto. Pouls’ Galeriekonzept kommt einem Sakrileg gleich – nicht, weil die aktuelle Ausstellung „Zu Ostern“ heißt und neben Bas Meermans Gemälde „Jesus“ noch gehäkelte Erlöserfiguren, Dornenkränze und gekreuzigte Hasen von Johanna Schweizer präsentiert. Nein, schlimmer: Pouls bricht ein ungeschriebenes Gesetz und verkauft neben Kunst auch Blumen der Saison: Osterglocken, Ranunkeln oder Traubenhyazinthen. Wer das Gemischtwarenkonzept vorschnell verurteilt, werfe einen Blick auf die rotgelb geflammten Papageientulpen, die nicht nur an die holländischen Blumenstillleben erinnern, sondern auch an den legendären Tulpenwahn im Jahr 1637 mit seinem ersten Börsencrash. Tief blicken lässt freilich nicht nur das floreale, sondern auch das künstlerische Angebot: eindrucksvoll übersetzt die Papierarbeit „Wanderung einer Schnittblume“ die österliche Idee von Tod und Wiederauferstehung in eine sensible Kohlezeichnung. Man traut seinen Augen kaum: Der Zeichner Piotr Nathan ist blind (Gartenstraße 1, bis 26. April).

Frühlingsgefühle überkommen uns in der KFA Gallery. Helga Maria Bischoff und Rebecca Kwee setzen auf Arbeiten von vier jungen, der Berliner UdK frisch entschlüpften Künstlern und Künstlerinnen. Wobei Jörg Söchting und Aldo Christofaro qualitativ etwas hinter ihren Kolleginnen zurückbleiben. Trotzdem weht frischer Wind durch die Räume, etwa dank der Pleinair-Malerei von Corinna Weiner. In ein Acrylbild hat sich Weiner selbst als Rucksacktouristin gestellt. Dunkel dräuen Wolken, aber die „Landstreichlerin“ schmiert, nein streichelt eine orange Farbschliere in die verhangene Landschaft. Die Zeichen stehen eben (noch) auf Sturm, so wie beim „Schneekugel“-Objekt der Tony-Cragg- Schülerin Mira Thomsen: In einer wassergefüllten Glaskuppel ruht eine graugelbe Mondlandschaft, aus deren Kratern weiße Flocken statt glühender Lava strömen. Wärmer wird’s auf Thomsens surrealen Fotocollagen. Auf einem Abhang in den sonnigen „Alpen“ platzt ein außerirdisch anmutendes Objekt aus dem Boden, am „Lago Maggiore“ sprießt die Agave – mit spiegelsymmetrisch geklonten Blättern: Die spinnen, die Pflanzen (Bergstraße 19, bis 29. März).

Jens Hinrichsen

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