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KUNST Stücke: Echt oder nicht?

Hat er gezeichnet oder nicht? Diese Frage spaltet die Fans von Francis Bacon bis heute.

Hat er gezeichnet oder nicht? Diese Frage spaltet die Fans von Francis Bacon bis heute. Ganz gleich, ob es sich um die 1998 an die Öffentlichkeit gelangten Skizzen, um übermalte Fotografien aus dem „Joule-Archiv“ oder ein Konvolut handelt, das etwa zeitgleich in Italien auf den Markt kam. Der Nachlass und alle Anhänger des Mythos vom spontanen Malergenie sind von der Echtheit nicht überzeugt. Nun kann man sich in zwei parallelen Ausstellungen ein eigenes Bild zumindest von jenen Zeichnungen machen, die der Künstler zwischen 1979 und 1988 auf seinen Italienreisen gefertigt haben soll.

Papst II mit Grafit auf Papier, der Mund – anders als im Gemälde von 1951 – mit eruptiven Strichen verschlossen, der päpstliche Stuhl durch schnurgerade Linien schematisiert. Mit stattlichen Maßen von 150 mal 100 Zentimetern keine Ideenskizze, sondern eine von insgesamt 50 Zeichnungen, von denen vier Päpste und zehn weitere Porträts in der Galleria Nove (Anna-Louisa-Karsch-Straße 9, bis 1. November) zu sehen sind. Bacons typische Dynamik der Körper, die Überlagerung menschlicher und animalischer Attribute fehlen ebenso wie seine virtuosen Raumstrukturen. Trotzdem handelt es sich bei dem homogenen Zyklus um Zeichnungen mit lockerem Strich und motivischen Wiedererkennungseffekten. Sollte es sich um ein Phänomen wie Gioacchino Rossinis „Sünden des Alters“ handeln? Um Fingerübungen nach all den großen Werken? Künstlerische Miniaturen für einen Liebhaber – wie es Edward Lucie-Smith als Kurator beider Ausstellungen im Katalog vermutet: „Freundschaftsgaben, ähnlich denen, die der alternde Michelangelo für den jungen Tommaso Cavallieri gemacht hat.“ Rossini übrigens ließ seine „Alterssünden“ zu Lebzeiten auch nicht öffentlich aufführen. Heutzutage erfreuen sie sich einiger Beliebtheit. Francis Bacon, der „nicht Realität illustrieren“ wollte, sondern „Bilder entwerfen, die Realität verdichten“, hätte mit diesen Zeichnungen seine Gemälde allerdings illustriert.

Seine „Kurzschrift des Gefühls“ lassen auch die 20 Blätter in der Werkstattgalerie (Eisenacher Straße 6, bis 1. November) eher vermissen. Bislang werden die Zeichnungen als „attributiert“ ausgewiesen. Aber die Galeristen sind optimistisch. „Eine Gutachterin in Italien überprüft die Signaturen, und es sieht gut aus“, meint Pascual Jordan. „Außerdem untersucht ein anderes Team die Blätter nach DNA-Spuren.“ Interesse von Sammlern gibt es allemal. Bei Preisen von 50 000 bis 150 000 Euro lassen sie sich von der Zuschreibung nicht beirren. Denn Bacons wenige, auf Auktionen aufgetauchten Originale auf Papier haben bis zu 400 000 Pfund gebracht. Da hätte man ein Schnäppchen gemacht – sollte die Authentizität bestätigt werden.

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