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KUNST Stücke: Heilige Kuh

Ein gewisses Gespür – oder sagen wir geistigen Vorlauf – mitzubringen, ist oft eine gute Basis für haltbare Qualität in der Kunst. Und tatsächlich: Lange, bevor sich der deutsche Bundespräsident Anfang Februar auf den Weg Richtung Indien machte, hatten es diese fünf Künstler aus Deutschland und England bereits besucht.

Ein gewisses Gespür – oder sagen wir geistigen Vorlauf – mitzubringen, ist oft eine gute Basis für haltbare Qualität in der Kunst. Und tatsächlich: Lange, bevor sich der deutsche Bundespräsident Anfang Februar auf den Weg Richtung Indien machte, hatten es diese fünf Künstler aus Deutschland und England bereits besucht. Ihre Arbeiten entstanden als langsame Reflexionen auf regelmäßige Fahrten oder längere Reisen dorthin. Und auch bei der engagierten Kuratorin Anke M. Ulrich lag die Idee für die Gruppenausstellung Indian Blend schon eine Weile zurück.

Umso mehr ist ihre ebenso achtsam wie spannungsreich bestückte Ausstellung in der Galerie Alexandra Saheb (Auguststraße 91, bis 20. Februar ) jetzt am Puls der Zeit. Denn viel eher als in den Politikerdossiers gelingt es in der Sprache der Kunst und auf ganz unterschiedliche Weise, von einer sich stürmisch wandelnden indischen Gegenwart zu berichten. Gemeinsam ist allen Arbeiten, dass sich die Europäer jenem fremden Kulturkreis grundlegend nähern – ganz ohne vordergründige Klischees, Erwartungen oder Exotik zu importieren. Dennoch sehen alle fünf europäischen Künstler das kulturelle, mystische und spirituelle Erbe Indiens als eine entscheidende Inspirationsquelle.

Die Ausstellung bietet also keine „Reisekunst“, wie es der Titel der Ausstellung vielleicht erwarten ließe. Im Gegenteil verführt schon im engen Innenhof der Galerie jenes orange Etwas, das als Torso eines Fesselballons durchgehen könnte, zum Wechsel der Perspektive. Statt wie eine Riesenlupe den Blick des Betrachters in den Himmel hinaufzulenken, haben das Loch im Gewebe und stetiger Schneefall genau unter der Arbeit völlig ungeplant eine weiße Gegenskulptur entstehen lassen und so die Arbeit von Marc Schmitz ( „Airtag“, 15 000 Euro) um eine assoziativ-poetische Dimension ergänzt. Ein europäischer Kommentar, wie ihn sich der Künstler kaum besser hätte wünschen können.

Auch im Aquarell von Norbert Schwontkowski aus dem Jahr 2001 findet ebenso wie in der Arbeit von Rebecca Raue (Mischtechnik auf Pappe, 8000 Euro) eher eine introspektive anstelle einer äußeren Annäherung an die fremde Kultur Indiens statt. Die Wahl-Kölnerin Lisa Nyugen – 2006 war sie als DAAD-Stipendiatin schon länger in Berlin – verfremdet ihre Porträtzeichnungen aus Indien zu großen Inkjet-Tableaus. Und wirklich einzig in den experimentellen Videoaufzeichnungen der britischen Filmemacher Karen Mirza und Brad Butler lassen sich indische Motive finden, die so aussehen wie dort aufgenommen. Dennoch findet sich in dem halbstündigen Streifen der Künstler, die sich kritisch mit der Realität das Alltagslebens im öffentlichen Raum in Indien und Pakistan auseinandersetzen, kein Dekor, keine Folklore, keine heilige Kuh. So gesehen ist dies eine Gruppenausstellung wie aus einem Guss.

Thea Herold

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