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KUNST Stücke: Scharfe Schnitte

Michaela Nolte fragt sich, wie Paare miteinander auskommen

Seltsame Wesen empfehlen sich in der Galerie Elisabeth Schwarz. In der Ausstellung „Inside out“ begrüßen den Besucher gleich eingangs „Herr und Frau da Volterra“ von Christoph Platz: zwei akribisch aus Holz geschnitzte Hosen. Außen sind sie in mattem Gelb gefasst, im Innern fällt der Blick auf rohes Pappelholz und die handwerkliche Finesse der Hohlkörper. Wobei der Begriff Körper durchaus angebracht ist. Denn wenngleich die Skulpturen meist T-Shirts, Kleider oder Badeanzüge darstellen, verleiht ihnen der 1964 geborene Bildhauer eine bemerkenswerte Körperlichkeit (Preise: 1200-21 000 Euro). Das Hosen-Paar, gruppiert um einen Kelch und einen von der Decke hängenden Wasserstrahl, ist eine Hommage an Daniele da Volterra der im Auftrag von Papst Pius IV. die allzu freizügigen Partien in Michelangelos „Jüngstem Gericht“ übermalte; was Volterra den Spottnamen „Braghettone“ (Hosenmaler) einbrachte.

Wo Platz zu komplexen Erzählweisen findet, betont das nicht minder rätselhafte Figurenarsenal von Frank Zucht das psychologische Moment. Innen und Außen, Mythos und finstere Gegenwart paaren sich in traumartigen Bildern mit Fischen oder Vögeln. In den farblich gedämpften Schattenwelten schreitet ein hochgewachsener Hase mit Leopardenfell und Wanderstock durch einen kargen Wald, ein Mischwesen aus Mensch und Falke schiebt einen Kinderwagen vor dem mondbeschienenen, unwirtlich grauen Hintergrund (480-3000 Euro). Bisweilen gibt es zwar Berührungspunkte, doch wünscht man den installativen Skulpturen von Christoph Platz einfach mehr Raum. Hier haben sie es schwer, ihren hintergründigen Witz gegen Frank Zuchts Malerei zu behaupten (Mariannenplatz 22, bis 20. Februar).

Wie auf kleinstem Raum aus Gegensätzlichem spannende Dialoge entstehen können, zeigt die Galerie Axel Obiger (Brunnenstraße 29, bis 13. Februar). Harriet Groß konfrontiert ihre Scherenschnitte aus schwarzen Aluminiumfolien mit Skulpturen von Matthäus Thoma. Ästhetisch höchst Ausgefeiltes trifft auf flirrende Formen aus ‚armen’ Materialien, Poetisches auf fraktale Humoresken. Groß, Mitbegründerin der seit Herbst bestehenden Produzentengalerie, hat Thoma, mit dem sie einst Malerei studiert hat, als Gast eingeladen. Der gemeinsame Ursprung, in den Scherenschnitten noch vage erahnbar, hat sich bei Thomas zur radikalen Auseinandersetzung mit dem Raum entwickelt. Aus unzähligen, gebrochen und zersplittert wirkenden Holzstäben fertigt er seine – nun, was eigentlich? Skulpturen? Objekte? Plastiken? Aus Zufallsprozessen wachsen kristallin wirkende Hüllen, ebenso vertraut wie fremd und irritierend. „Herrgottswinkel“ oder „Sozialismus/Jagdhütte“ lauten die Titel (Preise: 600-3000 Euro), und was an eine Blume oder eine Pauke erinnert, heißt „Haartrockner“. Weil man sich in den auskragenden Holzstäbchen leicht verfangen kann.

Thomas abenteuerliche Sichtweisen und sein komponierter Zufall gehen mit Harriet Groß’ präzise konstruiertem „Baumhaus“, dem „Grenzübergang“ oder „Lichtturm“ wunderbar zusammen (Preise: 2000–4000 Euro). Jede Linie, jeder Schatten sitzt hier exakt, und schon für sich genommen bieten die Cut outs ein faszinierendes Spiel mit unserer Wahrnehmung von Räumlichkeit. Bildräume zwischen magischem Realismus und Op-Art – nur eben schwarzweiß. Mit ihren Schnurzeichnungen transformiert Groß die Schattenrisse in den Raum. Spiegelt und konterkariert ihre Grundformen und verleiht ihnen so eine weitere Dimension. Eine Ausstellung, die neue Denk-Räume schafft .

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