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KUNST Stücke: Schwein sein

In der Galerie cubus-m zieht man instinktiv den Kopf ein. Lebensgroß stehen sich zwei Akteure in einer Doppelprojektion auf der rechten und linken Wand gegenüber, ansonsten Leere und Stille im Raum: bis einer von ihnen ein Wort ruft und einen Gegenstand in Augenhöhe des Betrachters wirft.

In der Galerie cubus-m zieht man instinktiv den Kopf ein. Lebensgroß stehen sich zwei Akteure in einer Doppelprojektion auf der rechten und linken Wand gegenüber, ansonsten Leere und Stille im Raum: bis einer von ihnen ein Wort ruft und einen Gegenstand in Augenhöhe des Betrachters wirft. Geduckt, vorbei – und schon hat sein Gegenüber das Ding aufgefangen. Kerstin Honeit hat ihre Videoinstallation „Joint Property“ eigens für den Galerieraum konzipiert. Ein fein abgestimmtes Match, in dem die Künstlerin selbst beide Akteure darstellt.

Die Wurfgeschosse sind Requisiten eines Schlagabtausches, der sich sukzessive ins Groteske steigert. Wörtern wie „Imitation“ oder „Night Out“ folgen Requisiten wie gelbe Gummihandschuhe oder eine rote Plastiktüte, die einer der Protagonisten auffängt, anzieht, um sofort das nächste Wort zu rufen. Die Körper unterziehen sich so einer Wandlung, die am Ende jegliche geschlechtliche Zuweisung unmöglich macht. Komplett wird diese Undefinierbarkeit durch das lip syncing der Künstlerin: Wie im Film bewegen sich die Lippen synchron zu Worten, die jemand anders spricht. Ein Prinzip, das Honeit auch in der Videoarbeit „On & Off“ (2010) – die im Untergeschoss hervorragend präsentiert ist – in den Mittelpunkt stellt. Sie fragt damit nach der Kohärenz von Köper und Stimme, nach Stereotypen, Identitäten und auch Macht.

Mit den schnellen Veränderungen der letzten Jahre im Umfeld der Galerie ist das brisante Thema Gentrifizierung am richtigen Ort. Die politische Künstlerin und gebürtige Berlinerin vergleicht in der neuen Installation „Pigs in Progress“ die Diskussionen um die Wildschweinfütterer im Berliner Grunewald mit den Verdrängungsprozessen innerhalb von Berlin. Das Video dokumentiert sowohl die Statements des inzwischen stadtweit bekannten Wildscheinfütterers Michael als auch der verängstigten Anwohner. Für Letztere setzt sich die Künstlerin im Anzug selbst ins Gehege und lip-synced mit regungsloser Miene deren emotionale Argumente. Die Perspektive verschiebt sich und konterkariert die Äußerungen. Was ist nun die Wahrheit? Der Titel der Ausstellung „say it like it is“ zitiert eine Songzeile der sozialkritischen Hip-Hop- Gruppe Public Enemy: „Say it like it really is, do it like it really is.“ Kerstin Honeit verdeutlicht in ihren konzeptuellen Arbeiten die politische Diskrepanz vom Sagen und Machen (Pohlstraße 75, bis 1. Juni. Finissage: 17 Uhr, inkl. Talk mit der Künstlerin).

Constanze Musterer

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