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KUNST Stücke: Sehr verdächtig

Während bei ver.di über hitzig über Kunst diskutiert wird, geht es im me Collectors Room dagegen gediegen zu, obwohl Sammler Gilles Fuchs gerade das Opponieren als Qualität des Künstlers sieht.

Warum sind manche Künstler erfolgreich und andere nicht? Liegt es am Galeristen, den Sammlern und Kuratoren oder an der Kritik? Ist es das Unverwechselbare oder die Begabung? Der Zeitgenosse „wartet nicht auf die göttliche Eingebung wie sein Kollege im 19. Jahrhundert. Stattdessen versteht er sich auf pfiffige Ideen und gewitzte Einfälle, auf das viel gerühmte Netzwerken“, weiß Hanno Rauterberg. Den Kunstredakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“ hatte ver.di in seine Bundeszentrale eingeladen, um Über Preis und Wert der Kunst zu debattieren. Ins Zentrum stellte Rauterberg den Künstler als Projektionsfläche aller Wünsche, Sehnsüchte und Hoffnungen. Das Wirtschaftssystem habe in ihm den Protagonisten des ökonomischen Erfolgs erkannt: Von Künstlern lernen, heißt Wirtschaften lernen! Die junge Kreativszene schätze das freiheitliche Dasein, und das Massenpublikum verehre im Künstler den Garanten des Wahrhaftigen. Mit dem Abdanken von Heldengestalten und Kunstreligion werde die Kunst zu einer „Form kultureller Alltagserfahrung“.

Ausgerechnet am Heldensterben entzündete sich daraufhin eine heftige Kontroverse, als eine Besucherin Rauterberg „Konservatismus und Feuilletonismus“ vorwarf: „Sie geben hier ein weichgespültes Bild. Der Künstler versteht sich heute als Experimentator, als Kurator und Vorreiter des Netzwerkens.“ Lebhaft gestritten wurde auch um das Internet als zukunftsweisendes Modell für Marktunabhängigkeit. Dabei konstatierte Rauterberg durchaus, dass Künstler heutzutage neue Distributionswege und neue Arbeitsfelder generieren: „Aber ich wundere mich darüber, dass die Galerien, dass der Markt selbst bei denen, die sozusagen Marktverächter sind, immer noch so eine große Rolle spielt.“

Über Kunst zu reden, ist schwierig, dem Redner zuzuhören noch viel mehr, könnte man am Ende resümieren. Leider erschöpfte sich manche Wortmeldung im Pflegen alter Feindbilder und der eigenen Wunden. Man wünscht der ambitionierten Veranstaltungsreihe, dass sich auch die Erfolgreichen unter den Künstlern mehr einmischen. Den anderen empfiehlt sich die Lektüre von Rauterbergs jüngstem Buch „Und das ist Kunst?! Eine Qualitätsprüfung“.

Szenenwechsel: Während ver.di unter dem Motto Kunst-Stoff auch Zündstoff bot, hielt sich die Diskussionsfreude im me Collectors Room in Grenzen. Hausherr Thomas Olbricht hatte zum Gespräch mit seinem französischen Sammlerkollegen Gille Fuchs geladen, und man gab sich nonchalant. Kontroversen kamen in der Auguststraße keine auf. Dabei betonte Gille Fuchs, dessen Sammlung auf den Nouveaux Réalistes gründet, gerade das Opponieren als Qualität eines Künstlers: „Ich akzeptiere fast alles – weil es schwer ist, gegen den Strom zu schwimmen. Der Künstler akzeptiert nichts, ist nie wirklich zufrieden. Aber genau das suchen wir. Sie pushen uns dahin, wo wir nie hinwollten. Aber sie haben recht! Sie tun etwas, über das wir so nie gedacht haben. Das ist das Revolutionäre.“

Mit beeindruckendem Charme und Humor machte der Präsident der ADIAF – in der sich 200 Sammler für die zeitgenössische französische Kunst engagieren und den Marcel-Duchamp-Preis ausloben – den Abend zu einem gesellschaftlichen Ereignis, bei dem mehr gelauscht als hinterfragt wurde. Ob das Sammeln für sie auch finanzielle Aspekte habe, wollte eine Frau wissen. „Für mich hat die Kunst einen absolut immateriellen Stellenwert“, sagte Fuchs, und Olbricht ergänzte: „Das einzige Kriterium ist meine Leidenschaft – und irgendwann werden die Menschen in Berlin die Sammlung auch lieben.“

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