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KUNST Stücke: Venus im Zirkus

„Es gibt in der Kunst weder Vergangenheit noch Zukunft“, hat Picasso gesagt. Weshalb also nicht ihn selbst in das Programm einer Galerie aufnehmen, die bisher eher durch zeitgenössisch Aufstrebendes aufgefallen ist?

„Es gibt in der Kunst weder Vergangenheit noch Zukunft“, hat Picasso gesagt. Weshalb also nicht ihn selbst in das Programm einer Galerie aufnehmen, die bisher eher durch zeitgenössisch Aufstrebendes aufgefallen ist? 2005 gründeten Aeneas Bastian und Harriet Häussler ihre Galerie Upstairs. Kürzlich nun sind die beiden von Kreuzberg in jenes Haus umgezogen, in dem sich auch die Sammlung der Eltern Céline und Heiner Bastian befindet. Ausflüge in die Kunstgeschichte soll es von nun an öfters geben. Schließlich bezögen sich viele junge Künstler auch auf Vorbilder, sagt Aeneas Bastian. Ähnlich wie es Picasso selbst tat: In seinen Druckgrafiken und Zeichnungen taucht nicht nur die Venus von Cranach, sondern auch eine Comicfigur von Hergé auf (Am Kupfergraben 10, bis 5.März). Die Arbeiten stammen von Händlern, Galeristen und aus Privatbesitz. Bastian verzichtete darauf, alle Blätter in den gleichen Rahmen zu stecken, und nun hängt hier ein hübsch anzusehendes Sammelsurium, passend zu Picassos Form- und Stilvielfalt. Sechs Jahrzehnte Schaffenszeit! In einem Bilderzyklus, der Suite Vollard aus den dreißiger Jahren, umreißt Picasso menschliche Körper mit klaren, entschlossenen Linien (Preise: 14 000-25 000 Euro). Später löst er Zirkusszenerien in wilden Konfetti-Regen auf, setzt kämpfende Zentauren vor schraffierte Felder in Knallfarben (1,85 Mio. Euro) und lässt alles Gegenständliche verschwinden. Der Frauenakt wird zur bunten Amöbe.

Nach dieser Kreidezeichnung empfiehlt sich ein Stockwerk tiefer der Ausstellungsraum der Sammlung Heiner Bastian. Hier warten mit Picassos malerischem Spätwerk große, meist liegende Frauenakte (bis 9. April). Der Künstler hat sich freigemalt, die geometrischen Formen gehen an manchen Stellen wieder in einen organischen Pinselstrich über, fast so schwungvoll wie in den früheren Zeichnungen. Anfang der 60er Jahre beherrschen erdige Töne die Leinwand. Später prallen Gelb und Grellgrün auf Grau, pastelliges Rosa und blaue Streifen verbreiten maritimes Sixties-Flair. Innerhalb eines Bildes experimentiert Picasso lustvoll mit dem Farbauftrag. Mal trägt er in dicken Schichten auf, mal lässt er zarte Grundierungen stehen. Picasso malt wie ein Berserker, zurückgezogen in seinem südfranzösischen Atelier. Die Ausstellungsstücke sind Leihgaben privater Besitzer, darunter auch einige Gemälde des Sammlers Frieder Burda. „Upstairs“ eine Verkaufsausstellung parallel laufen zu lassen, ist ein kluger Schachzug. Auch wenn Aeneas Bastian sich früher nicht hätte vorstellen können, einmal in die Nähe des Vaters zu ziehen, wie er sagt. Im Laufe der Jahre hat er sein Profil als Galerist geschärft, er suchte mit seiner Frau nach neuen Räumen, im Chipperfield-Bau war gerade etwas freigeworden. Bastian schätzt Chipperfields Architektur. Er ergriff die Gunst der Stunde.

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