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KUNST Stücke: Warmer Westen

Die offene Tür lädt ein. Im Ladenlokal am Savignyplatz wartet dann aber kein Konsumgut wie sonst in der Nachbarschaft.

Die offene Tür lädt ein. Im Ladenlokal am Savignyplatz wartet dann aber kein Konsumgut wie sonst in der Nachbarschaft. Stattdessen stehen vier exklusive Kunststücke im weißen Raum. Eine besondere Sogwirkung entfaltet ein drei Meter langer Tunnel, der hinter einem ramponierten Bilderrahmen ins Nichts führt. Handelt es sich um ein Bild oder um eine Skulptur? Daneben hängt ein Lichtkasten, in dem ein kleiner weißer aus einem großen schwarzen Kreis heraussticht. Und diese Stücke sollen vom sonst so „Batman“-begeisterten Andy Hope stammen? Was treibt ihn dazu, Malewitschs „Schwarzes Quadrat“ zum Vorbild zu nehmen? Für eine Antwort muss man nicht unbedingt in die Weddinger Osramhöfe fahren, wo in der Hauptgalerie von Guido Baudach der größte Teil der Ausstellung „0,10 and a half“ steht oder hängt. Denn auch in der Charlottenburger Zweitgalerie (Carmerstraße 11; bis 2. Juli) sind den modernistischen Schwarz-Weiß-Kompositionen quietschgrelle Schriftzüge im Comicstil gegenübergestellt. Der Standortvorteil liegt auf der Hand: Die Konzentration der anscheinend komplett widersprüchlichen Werke auf kleinem Raum ermöglicht erst jenen Aha-Effekt, der in den weitläufigen Hallen der Baudach’schen Stammgalerie wohl nur schwer möglich wäre. Der dreidimensionale Schriftzug „Strange“ (17 000 €) fliegt auf einen Fluchtpunkt außerhalb des Bildes zu und greift damit die Räumlichkeit und Frage nach dem Unbekannten aus dem „Time Tube“-Tunnel (40 000 €) auf – so gehen russische Avantgarde und amerikanischer Comic zusammen.

Der Ableger der Galerie Max Hetzler ist eigentlich eine Privatwohnung im ersten Stock. Im Treppenhaus schreitet man über einen roten Teppich unter goldenen Teppichstangen, vorbei an opulenten Gipsblumen, die im Halbrelief aus ihren Vasen quellen. Alles drückt beschauliches Bürgertum aus, auch die stuckverzierte Vierzimmerwohnung, in der sich die längst ausverkaufte Ausstellung von Shootingstar Glenn Brown befindet (Bleibtreustraße 45; bis 28. Mai). Hier ist allerdings Schluss mit konservativer Ästhetik: Eine französische Statuette überschmiert der Brite dick mit Farbe, bis nur noch der zarte Frauenfuß die ursprüngliche Gestalt erahnen lässt. Bis ins Ekelerregende treibt er es bei „Nigger of the World“ (2011), einer giftgrünen, pickeligen Version von Rubens’ nackter Susanna und den beiden voyeristischen Alten, die in stilgetreues Chiaroscuro getaucht sind und die Parodie barocker Überladenheit perfekt machen. Die Ausstellung selbst folgt dem Vanitas-Gedanken, die Wohnung fungiert nur temporary als Ausstellungsort. Bald müssen die Sammler sich wieder auf in den Wedding machen.

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