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KUNST Stücke: Wie wahr!

Einmal sieht es aus, als hinge ein Bild verkehrt herum. Oben türmt sich das Meer zu massigen Wellen, unten liegt flach ein Nachthimmel.

Einmal sieht es aus, als hinge ein Bild verkehrt herum. Oben türmt sich das Meer zu massigen Wellen, unten liegt flach ein Nachthimmel. Ein Dreh, und die Ordnung wäre wieder hergestellt. Doch so einfach ist das nicht mit der Malerei von Susanne Knaack. Obwohl sie ihre ausnahmslos schwarzweißen Motive „Seestück“ oder „Bleiernes Meer“ nennt, formieren sie sich bloß im Auge des Betrachters. Fern aller Assoziationen rinnen in der Galerie Eva Poll (Anna-Louisa- Karsch-Straße 9, bis 8. Januar) Farbfäden über die Leinwände, erstarren wie aufgeschäumt zu Strudeln und abstrakten Wellen. Manche Formate (Preise: 400- 7000 Euro) erreichen nicht einmal einen halben Meter und entfesseln dennoch einen Sturm, der einen bis an namenlose Klippen trägt. Von dort blickt man ins brodelnde Wasser, das am Horizont einen vor Wolken triefenden Himmel berührt. Dass nur diese Waagerechte reale Landschaft suggeriert, wird erst in der Wiederholung klar. Susanne Knaack, die an der Berliner Kunstakademie bei Georg Baselitz studierte, widmet sich dem Thema ähnlich obsessiv wie ihr Lehrer seinen verkehrten Welten: Seit 15 Jahren lässt sie Naturgewalten aufeinandertreffen und perfektioniert dieses Schauspiel immer mehr. „Vorfrühling“ von 2006 zeigt noch Spuren ihrer Arbeit, Schwarz und Weiß bleiben oft unvermischt. Mit jedem Jahr gewinnen die Arbeiten dann an Souveränität und ihre fließenden Formationen legen nahe, dass häufig ohne Pinsel gearbeitet wird. Stattdessen schüttet Susanne Knaack die Farbe dünnflüssig über die Leinwand und verleiht den Bildtiteln einen doppelten Sinn: Sie bilden nichts ab, sondern sind echte „Seestücke“ – real im konstruierten Raum der Leinwand.

In der Galerie Lacke Farben Berlin (Brunnenstraße 170, bis 23. Dezember) scheint Renzo Galardini erst einmal auf einer ganz anderen Spur. Er nutzt einen Tisch in seinem Atelier als Bühne, auf der er wiederkehrende Objekte wie ein Holzpferd und eine in knitternde Papiere gewickelte Marionette drapiert. Seine Kompositionen sind raffiniert gemalt und täuschend illusionistisch. Nicht ohne Grund hat Roberto Contini, Kurator für Malerei des 16.-18. Jahrhunderts an der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin, im Katalog zur umfangreichen Ausstellung geschrieben – über die delikaten Oberflächen oder den Prunk der altmeisterlich gemalten Blumen und Stoffe. Wären da nicht die kleinen, oft nackten Figuren, die die Sujets erobern und ins Surreale gleiten lassen: Man könnte den renommierten italienischen Maler für einen Spross der Renaissance halten. Galardini hängt seine Figuren an feine Fäden und zeigt so, dass es hinter den fantastischen Choreografien noch einen Impresario gibt. Im Zweifelsfall den Künstler selbst, der sich Welt macht, wie sie ihm gefällt. Auf der Leinwand jedenfalls, deren zauberische Miniaturen es so nur in der Malerei geben kann.

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