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KUNST Stücke: Zu Tisch!

Jens Pepper bahnt sich den Weg durch Kunst gewordene Alltagsmaterialien

Es müssen viele Flohmärkte und Trödelläden gewesen sein, die der Brite Michael Samuels abgesucht hat, um das Material für seine neuen Skulpturen zu finden. Vor allem alte Tische aus den fünfziger und sechziger Jahren mit ihren typisch farbigen Oberflächen. Zersägt und in wilden Kombinationen neu zusammengefügt, geschichtet und verschachtelt, werden aus den Möbeln tektonische Objekte irgendwo zwischen Assemblage, Dada und Konstruktivismus. Dabei sind sie keinesfalls historisierend, sondern eher als humorvoller, aber ernst gemeinter Kommentar zur Kunstgeschichte zu sehen. Dieser Witz im Umgang mit vergangenen Kunstbewegungen ist derzeit auch bei anderen bildhauerisch tätigen Künstlern zu erleben, bei dem Berliner Anselm Reyle zum Beispiel, womit sich Samuels klar im Trend bewegt. Vier Boden- und neun Wandskulpturen sind in der Galerie Klara Wallner ausgestellt (2500–13 500 Pfund). Was dem Besucher als Erstes auffällt, ist die Strenge der Konstruktionen und ihre Akkuratesse. Kein Eindruck von Trash oder willkürlich kombiniertem Material. Die bis zu drei Meter hohen, geschichteten Türme und noch mehr die kleinen Wandarbeiten vermitteln den Eindruck gewollten Designs. Nur, dass sich ihnen beim besten Willen keine Funktion zuordnen lässt. Vielleicht hat Samuels sich auch deshalb für den Ausstellungstitel „Schadenfreude“ entschieden (Kochstraße 60, bis 24. Oktober).

Einen Grandseigneur der japanischen Kunst zeigt die Galerie Gebr. Lehmann. Keiichi Tanaami, Jahrgang 1936, ist mit aktuellen Bildern und Skulpturen zu erleben (6000–192 000 Euro), es locken leuchtend bunte Farben und großäugige Figuren. Kind-Frau-Wesen bewegen sich in surrealen Sphären, werden mit Zitaten alter japanischer Holzschnitte und europäischer Kunst konfrontiert oder begegnen skurrilen Wesen, die an buddhistische Statuetten erinnern. Die Verbindung zu populären japanischen Manga- Comics und Animes ist offensichtlich. Auch dass der Künstler erfolgreich als Illustrator und Grafikdesigner arbeitet, lässt sich ahnen. Die anfängliche Begeisterung schlägt schnell um in Langeweile: Zu glatt, zu oberflächlich sind viele der Werke. Die Intensität etlicher japanischer Comics beeindruckt da mehr. Aber wie im Pressetext geschrieben steht, ist es ja gerade Tanaamis Verdienst, Vorreiter und Inspirator für andere zu sein. Und dafür lüften wir unseren Chapeau (Lindenstraße 35; verl. bis 25. Oktober).

Jens Pepper

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