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Arbeitsfluss. Am Hafen von Abidjan werden Masken und Statuen hergestellt, aus dem Abfallholz des Exports.

©  Bernhard Schulz

Kunst und Handwerk in Zeiten von Ebola: Das Holz der Meister

Die Bonner Bundeskunsthalle präsentiert gerade eine Ausstellung zum Thema "Afrikanische Meister. Kunst der Elfenbeinküste". Vor Ort erweist sich, dass bis heute für den Markt nach traditionellen Vorbildern produziert wird.

Afrika bleibt noch stets der dunkle Kontinent, wie ihn etwa Joseph Conrad gezeichnet hat. Die außer Kontrolle geratene Ebola-Seuche bestätigt das tief eingegrabene Vorurteil aufs Neue. Das Nebeneinander von Unwissenheit, Nachlässigkeit und Hysterie, das die Ausbreitung dieser Epidemie ermöglicht hat und weiterhin befördert, wird dem Kontinent wieder und wieder als charakteristisch für seine Rückständigkeit angehängt.

Die Folgen auch für den Tourismus sind gravierend, und ebenso für das Interesse an Afrika überhaupt, das sich derzeit auf die Schreckensmeldungen reduziert. Die Bemühungen, Afrika als einen Kontinent von Kultur und kulturellem Austausch wahrzunehmen, werden einmal mehr zurückgeworfen. Die derzeitige Ausstellung der Bonner Bundeskunsthalle, „Afrikanische Meister. Kunst der Elfenbeinküste“ verweist nun gar auf die geografische Herkunft von Ebola in Westafrika. Die Ausstellung wird im Anschluss nach Amsterdam und in das Pariser Musée du Quai Branly gehen, wo der Umgang mit außereuropäischer Kultur auf eine breitere Resonanz stößt als hierzulande; zumindest, solange das Humboldtforum noch nicht existiert und seine hochgesteckten Ziele erreichen kann.

Gezeigt wird in Bonn traditionelle, aber auch zeitgenössische Kunst. Ein Besuch in der Elfenbeinküste dieser Tage provoziert zuallererst und nahezu ausschließlich die Sorge um Ebola. Côte d’Ivoire ist von Ebola bislang nicht betroffen und hat Maßnahmen ergriffen, das Übergreifen aus den angrenzenden Krankheitsherden zu verhindern. Die Sorge ist da, doch ebenso sind es die allgegenwärtigen Hinweisplakate, die in Bild und Text über Risiken, Krankheitsmerkmale und Gegenmaßnahmen aufklären.

Nationalmuseum verleiht holzgeschnitzte Masken an Bonner Ausstellung

Die Hauptstadt Abidjan, gelegen am Golf von Guinea an einer Lagune, die die Stadt in zwei Hälften teilt und an den beiden Brücken – eine dritte ist im Bau – ununterbrochenes Verkehrschaos produziert, vereint all die Gegensätze, die für Megacitys der Dritten Welt so bezeichnend sind. Hochhäuser für Verwaltungssitze, Slums sowohl an der Peripherie als auch an unerwarteten Stellen im Stadtinneren, daneben Villengegenden, Unmengen von Autos, zahllose Fußgänger, Betrieb, Lärm und Staub, Tag und Nacht. Aber auch Kunst. Das Nationalmuseum inmitten eines ruhigen Gartens, in einem Kolonialbau der Franzosenherrschaft, verlieh ein Dutzend der herrlichen, holzgeschnitzten Masken an die Bonner Ausstellung, die der Schweizer Kurator Lorenz Homberger als jahrzehntelanger Kenner des Landes und seiner Kunst erarbeitet hat.

Auch er ist bei der Reise einer deutschen Journalistengruppe dabei und vermag über Herkunft, Alter und Qualität der im Nationalmuseum gezeigten Werke kundig zu urteilen. Das Haus ist angenehm überschaubar, nicht zu viele Stücke sind ausgestellt; der Fehler so vieler Museen in developing countries, nach schlechtem europäischen Vorbild von früher die Vitrinen vollzustopfen und im horror vacui Gänge und Blickachsen zu verstellen, wurde vermieden. Auf einem anderen Blatt steht, dass im Laufe der Jahre und Jahrzehnte vermutlich etliche der heute auf dem Kunstmarkt zu Höchstpreisen gehandelten Stücke den Weg zu westlichen Sammlern und wohl auch Museen genommen haben.

Werden die Masken noch rituell benutzt?

Afrikanische Kunst besitzt ebensolche regionalen Unterschiede und kennt Geschichte, wie dies für die sogenannten Hochkulturen zutrifft. Für Westafrika sind Masken charakteristisch, aus Holz geschnitzt und zurückhaltend verziert, dazu die den Stammesfürsten vorbehaltenen massiven Hocker – und eine erstaunliche Vielfalt von Musikinstrumenten, von denen das Museum nur jeweils ein oder zwei Beispiele in der Schausammlung zeigt. So aber stellt sich das Bild eines Orchesters ein, in dem Streichinstrumente und verschiedene Arten von Holzschlaginstrumenten den Ton angeben.

Die Masken gibt es bis heute, und genau da fangen die Schwierigkeiten an. Werden sie noch rituell benutzt? Nun, sie werden nach traditionellen Vorbildern hergestellt, in den Dörfern des Inlandes, aber auch hier an der Küste. So muss auch die künstliche Alterung in Kauf genommen werden, zumindest als Risikofaktor für Touristen. Die aber kommen von überallher, auch aus afrikanischen Ländern. Der Handel mit künstlerischen Artefakten liegt überwiegend in den Händen von Händlern aus dem Norden. Menschen aus den nördlich angrenzenden Staaten wie Mali und Burkina Faso bilden zugleich einen Großteil der Wanderarbeiter und Immigranten, die Abidjan zu einer Millionenstadt gemacht haben.

Eine Woche dauert die Herstellung einer Maske

Auf einer kaum einsehbaren Fläche am Holzhafen hat sich eine Kooperative aus rund 50 Zuwanderern aus Mali niedergelassen, die Masken, Standfiguren, Schilde und Gefäße aus Holz herstellt und damit unter anderem den sehr bunten, umzäunten und gepflegten Freiluftmarkt für Kunsthandwerk in einer ruhigeren Gegend der Stadt beliefert. Die Kooperative arbeitet unter freiem Himmel und in halb offenen Holzhütten, wie in diesen Breitengraden üblich, geschützt von ausladenden Palmen.

Nebenan der Holzhafen, wo die wertvollen Tropenhölzer, auf das Format der Standardcontainer zersägt, auf Schiffe verladen werden. Die Abfälle, zumal die für Möbelfabrikation unbrauchbaren Verzweigungen der mächtigen Mahagonibäume in mehrere Äste, bearbeitet die Kooperative. Eine Woche, erläutert eines ihrer Mitglieder, dauere die Herstellung einer Maske – dabei entsteht die Grundform unter seinen routinierten Händen bereits während des Gesprächs. Beißender Rauch dringt in die Nase, von Glut, die zwischen den Hütten und in einer Art Köhlerofen glimmt und durch Räuchern die Schwärze für das „Alter“ der Plastiken liefert.

An der Akademie von Abidjan war die Arbeit mit Holz lange verpönt.

„Hier habe ich das Arbeiten mit Holz gelernt“, sagt Jems Koko Bi, der zeitgenössische Bildhauer, der zur Reisegruppe hinzugestoßen ist. 1966 in einem Dorf im Landesinneren geboren, spricht der hagere, stets ernste Künstler fließend Deutsch. 1997 kam er mit einem daad-Stipendium nach Deutschland, wo er an der Düsseldorfer Akademie studierte. In den vergangenen Jahren nahm er an den für Afrika richtungsweisenden Biennalen von Dakar und Johannesburg teil und vertrat im vergangenen Jahr sein Land bei der Biennale von Venedig. 1995 hatte er die damals bereits bestehende Kooperative für einige Monate besucht und erlernte den Umgang mit Holz, der in seinem Heimatdorf bis heute allein den auserwählten Meistern vorbehalten ist.

An der Akademie von Abidjan, wo er 1988 mit dem Kunststudium begonnen hatte, war zu seiner Zeit die Arbeit mit Holz verpönt, sie wurde nicht gelehrt und nicht einmal gestattet. Stein und Keramik ja, auch Textil, wie drüben im kolonialherrlichen Frankreich. Erst ein deutscher Gastprofessor machte die Einführung der Holzbildhauerei möglich, die Koko Bi mittlerweile als Gastprofessor selbst vertritt. So schließt sich der Kreis.

Bei den Guro werden echte Ritualmasken geschnitzt

Es geht ins Landesinnere, in die Heimat von Koko Bi, der hier selbst seit 15 Jahren nicht mehr war. In diese Gegend, 100 Kilometer westlich der formellen, aber nicht wirklich genutzten Hauptstadt Yamoussoukro – wo der frühere Staatspräsident eine vergröberte Kopie des Petersdomes errichten ließ –, verirren sich über stundenlange Pistenfahrt hinweg keine europäischen Touristen. Hier, bei den Guro, werden die echten Ritualmasken gehauen und geschnitzt, nur von eingeweihten Meistern, die ihr Können von der Generation vor ihnen erlernt haben und über rituelle Kenntnisse verfügen.

Die fertigen Ergebnisse, die bei Tänzen getragen werden, bekommen die europäischen Besucher nicht zu sehen. Doch auch hier in den Dörfern, denen jedes einer speziellen Tätigkeit nachgeht wie das an einer größeren Straße gelegenen Weberdorf, wo die Webstühle im Freien stehen und von Männern und Jugendlichen bedient werden, kommen die Händler aus dem Norden vorbei und kaufen die Ware auf. Was ist authentisch, was für den Markt bestimmt? Und welchen Unterschied macht das – wenn überhaupt?

Die Elfenbeinküste kennt alle Facetten der tiers monde

Das Land Elfenbeinküste kennt all die Facetten der tiers monde, wie sie der Gouverneur einer der Nordprovinzen nennt, der ein Haus auch in Abidjan unterhält. Das sind die Dörfer, die an den Stellen bleiben müssen, wo die Ahnen zu Hause sind, das ist ebenso Abidjan, das mit geschätzten fünf Millionen Einwohnern den Magneten bildet für ein riesiges Hinterland und seine rapide wachsende Bevölkerung. Das ist, unweit dieser faktischen Hauptstadt und Wirtschaftsmetropole, die erste Hauptstadt der französischen Kolonialherren, die 1893 die Herrschaft beanspruchten, Grand Bassam an der Küste.

Dieses Städtchen mit seinen bescheidenen, um 1890 in Frankreich vorgefertigten und per Schiff hergebrachten Kolonialbauten, hat Côte d'Ivoire auf die Liste des Unesco-Welterbes gebracht. Da die Franzosen bereits nach wenigen Jahren anderswo hinzogen, blieb das Städtchen im Ursprungszustand erhalten. Dass der 1961 souverän gewordene Staat derart das Erbe der Kolonialherren würdigt, ist eine weitere Facette der Kultur dieses Landes. Die Franzosen gingen übrigens weg wegen der grassierenden Malaria, der Ebola von einst.

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