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Kunst und Kommerz: Malen nach Zahlen

Ein Symposium in Berlins Akademie der Künste erforscht die Liaison zwischen Kunst und Kommerz.

Gestatten, hier steht mit Anne-Marie Bonnet „schwer vergeudetes Humankapital“ im vollen Saal der Akademie der Künste. Bonnet, eingeladen für einen Vortrag über „Kunstwert = Marktwert?“ spricht aus, was andere über sie denken mögen. Als Professorin für Kunstgeschichte zählt sie zu jener universitären Spezies, auf die die deutsche Wirtschaft nicht gerade gewartet hat. Gebt uns Ingenieure, aber bitte keine Geisteswissenschaftler!

Doch wie sieht es mit dem gesamtgesellschaftlichen Auftrag aus? Wo die Kunst aktuell höchste Anerkennung genießt, Galerien und Museen boomen und sich überall im Land private Sammler eigene Museen bauen, lässt sich sicher prima zwischen Werk und Betrachter vermitteln. Dem stimmt Bonnet zu und ermahnt, streitbar wie immer, die Kunsthistoriker zu mehr Kritik und weniger Affirmation von zeitgenössischer Kunst.

Bleibt die Frage nach möglichen Orten, an denen sich das kritische Bewusstsein schärfen lässt. Und eben hier meldet sich an diesem Wochenende eine Institution zu Wort, die selbst einen schleichenden Identitätsverlust spürt und deshalb Fragen stellen will: der Kunstverein. Mit finanzieller Unterstützung der Bundeskulturstiftung lud die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine (ADKV) nach Berlin zu einem mehrtägigen Symposium mit zahlreichen Künstlern und institutionellen Vertretern zum Thema „Kunst Werte Gesellschaft“.

Ein sperriger, aber sprechender Titel: Zwischen Kunst und Gesellschaft flottiert der vieldeutige Wertebegriff. Ihn genauer zu bestimmen, daran schien Rednern, Podiumsteilnehmern und Gästen gleichermaßen zu liegen. Weil dieser Wert, so sieht es ADKV-Chefin Leonie Baumann, heute meist ausschließlich über den Preis definiert werde: Was sich Sammler viel kosten lassen, muss gute Kunst sein. Alles andere habe im zunehmend privat finanzierten Kultursektor keine Lobby.

Eine Chance also für die Kunstvereine als klassische Nonprofit-Institution? Können sie die Hüter jener künstlerischen Praktiken sein, die sich als sperrig, subversiv und politisch verstehen und das Publikum herausfordern, statt es ästhetisch einzubalsamieren? Doch so einfach lassen sich die Grenzen im Kunstbetrieb nicht ziehen. Schließlich müssen auch die Kunstvereine finanzielle Rechenschaft ablegen, gute Besucherzahlen vorweisen und sich um private Finanziers kümmern. Kaum ein Kunstverein kann noch allein von den Zuwendungen der öffentlichen Hand leben, Mischfinanzierungen sind die Regel. Damit wachsen auch hier Einfluss, Begehrlichkeit, Abhängigkeiten.

Als früheren Leiter des Hamburger Kunstvereins hatte man Stephan SchmidtWulffen eingeladen, sich Gedanken über die „Ökonomisierung der Kunst“ zu machen. Seine Hausaufgabe erledigte der jetzige Direktor der Wiener Kunstakademie mit großem Zahlenwerk etwa zur Situation zeitgenössischer Künstler, von denen nach wie vor kaum ein Zehntel von der Kunst allein leben kann. Im übrigen, so Schmidt-Wulffen, frage er sich häufiger, ob der Beruf, in dem er heute arbeite, noch derselbe sei, in dem er angefangen habe. Die vertrauten Regularien der Institution Kunst seien längst außer Kraft gesetzt – da ist der Mann auf dem Podium ähnlich ratlos wie jene, die ihn zum Vortrag gebeten haben.

Antworten waren aber auch nicht das Anliegen des Eröffnungstages. Eher die Präzisierung der Probleme, über die noch bis heute Abend öffentlich gesprochen wird. Christiane Meixner

Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, heute noch von 11 – 14 Uhr

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