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Kunst & Markt: Expedition in den Osten

Überraschend erschwinglich - Wiens Kunstmesse Viennafair riskiert etwas.

Vom Wächter zum Störer, das ist für Dalibor Martinis ein kleiner Schritt. 1973 verschob er für seine schwarz-weißen Fotos den Stuhl des Museumswärters um wenige Meter, setzte sich vor die teuer erworbene Kunst – und war dem Betrachter im Bild. Auf der Viennafair kann man die Dokumentation jener Performance, die in kleiner Auflage von je drei Abzügen entstanden ist, am Stand der Galerie P74 erwerben (12 500 Euro). Darüber hinaus versinnbildlicht die Arbeit des kroatischen Künstlers jedoch auch die Situation der Wiener Kunstmesse: Vor lauter Debatte über deren Verfassung geraten die Arbeiten fast aus dem Blick.

Vergangenes Jahr waren zwei russische Investoren mit Geld und großen Ideen eingestiegen. Nach acht Jahren Viennafair sollte sich vieles ändern. Von einem stärkeren Fokus auf Osteuropa, von russischen Sammlern und einem Kunstfonds mit der jährlichen Kaufkraft von einer Million Euro war die Rede. Zwei junge Kuratorinnen mit Ost-Expertise, Vati Zamam und Christina Steinbrecher-Pfandt, wurden engagiert, und die Erwartungen wuchsen in den Himmel. Vor allem beim Hauptinvestor Sergey Skaterschikov, der sich bald aber wieder verabschiedete, weil die rasche Rendite auf sich warten ließ. Wenn nun in der Koje der Ani Molnar Gallery in glänzenden Buchstaben „Not all is gold, that glitters“ (4100 Euro) steht, lässt sich der Satz sehr wohl als später Kommentar auf die Strategie von 2012 lesen. Die Kunstvermittler aus Budapest sind zum dritten Mal auf der Viennafair vertreten und keine Innovation des vorangegangenen Turbo-Umbaus. Dafür zeigen sie, ähnlich den meisten Teilnehmern aus Polen, Ungarn, Slowenien oder Bulgarien, die konzeptuelle Avantgarde ihres Landes aus diversen Jahrzehnten. Kunst ohne Glamour also, die sich nicht von selbst verkauft, sondern vermittelt werden will.

Das haben auch die Veranstalter begriffen und gehen nun vorsichtiger mit dem fragilen Konstrukt um, das diesmal 127 internationale Teilnehmer vereint. Immobilienmagnat Dmitry Aksenov hat die Mehrheit an der Messe übernommen, möchte sie langsamer zum finanziellen Erfolg führen und vor allem Rücksicht auf Inhalte nehmen. Als Vorsitzender des russischen Freundeskreises der Albertina sorgte er für erste Ankäufe auf der Viennafair: Drei Arbeiten der bulgarischen Künstlerin Sevda Chkoutova und Werke des russischen Künstlers Wadim Guschstschin bleiben in Wien. Denn das ist nach wie vor ein großes Thema: Es dürften ruhig mehr Sammler kommen.

Belohnt werden sie mit sehenswerten, überraschenden und oft erschwinglichen Positionen. Sichtbar wird dies auch in den beiden Kojen, die von einer Jury für ihre kuratorische Stringenz ausgezeichnet wurden. Als junge, aufstrebende Galerie zeigt Czulosc aus Warschau ausschließlich Fotografie, während sich der renommierte Wiener Galerist Hubert Winter auf die Einzelpräsentation seines Künstlers Franz Vana beschränkt, dessen abstrakte Grafitzeichnungen wie Reliefs wirken. Ähnlich kompromisslos agiert die Berliner Galerie Crone, die zum ersten Mal nach Jahren wieder an der Messe teilnimmt. Mit Arbeiten von Hanne Darboven, einem neuen Wollbild von Rosemarie Trockel (120 000 Euro) und Zeichnungen von Andy Warhol, der eigentlich immer geht – wenn es sich nicht gerade um Zeichnungen aus den frühen fünfziger Jahren handelt, die ohne Farbe einzig auf die Linie konzentriert sind.

Die Galerien lassen sich offenbar wenig von den Verwerfungen der Vergangenheit beeindrucken. Stattdessen nutzen sie die Offenheit der Situation für eigene Experimente und probieren, was in der Atmosphäre des Übergangs möglich ist. Man kann nur hoffen, dass Aksenov, der während der Viennafair ganz offensiv um Vertrauen warb, nicht so schnell die Lust verliert. Christiane Meixner

Viennafair, bis 13.10., www.viennafair.at

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