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Kunsthalle Bonn: "Russlands Seele"

Es gibt Ausstellungen, die eine Schwärmerei für ein Land begründen können, das man nie gesehen hat - "Russlands Seele" in der Bonner Kunsthalle ist eine solche Ausstellung.

Bonn - Wer sie besucht und daraufhin Russland bereist, kann wohl nur enttäuscht darüber sein, dass die Kuppeln in Wirklichkeit nicht so schön schimmern, die Bärte nicht so lang sind und das Leben nicht gar so tragisch ist wie auf den Bildern aus der Moskauer Tretjakow-Galerie. 150 teilweise erstmals im Ausland gezeigte Gemälde, Ikonen und Zeichnungen aus dem russischen Kunstheiligtum sind von diesem Mittwoch (16. Mai) an bis zum 26. August in Bonn zu sehen.

Pawel Tretjakow (1832-1898) war ein Moskauer Kaufmann, der so unermesslich reich war, dass er mit 28 Jahren kurzerhand beschloss, ganz allein ein nationales Kunstmuseum aufzubauen. Bis zu seinem Tod sammelte er 2000 Werke - von allem nur das Beste. Wenn er auf dem russischen Kunstmarkt einkaufte, hatte er nur einen ernst zu nehmenden Konkurrenten, und das war der Zar. Tretjakow schätzte vor allem die russischen Realisten, die durch eine wirklichkeitsgetreue Abbildung ihres Landes und seiner Gesellschaft politische und soziale Veränderungen zuwege bringen wollten.

Einblicke in eine exotische Welt

Für den heutigen Betrachter ergeben sich so Einblicke in eine versunkene, exotische Welt - aber nicht wie auf alten Fotografien verschwommen und grau, sondern gestochen scharf, in leuchtenden Farben und im Breitbildformat. Wie durch große Fenster schaut man ins Russland des 19. Jahrhunderts.

Da ist die menschenleere Landschaft: Ein träge dahin fließender Strom unter einem perlmuttschimmernden Morgenhimmel. Kahle Bäume an einem diesigen Herbsttag. Ein überschwemmter Birkenwald. In den Dörfern dieser entlegenen Landstriche gibt es noch Schamanen, die bei einer Bauernhochzeit erscheinen und eine Abgabe einfordern können, da sie das junge Paar sonst verfluchen. Und doch ändern sich die Zeiten auch hier: Eine greise Adelige wartet mit ihrer letzten Dienerin vor einem verfallenen Anwesen auf den Tod, die Füße wenigstens noch auf ein purpurrotes Samtkissen gestützt. "Alles vorbei" heißt dieses Werk, das den Untergang des Adelsstandes symbolisiert.

Russische Maler als große Geschichtenerzähler

Die russischen Maler dieser Zeit sind große Geschichtenerzähler. Sie blicken stolz zurück auf ihre Historie und lassen Kosaken mit Schnurrbärten so groß wie Türkensäbel auferstehen. Aber sie prangern auch die Schrecken der russischen Eroberungskriege in Turkmenistan an, halten detailgetreu einen Berg von Totenschädeln fest und verewigen die letzten Momente eines tödlich Verwundeten. Ganz anders das Leben in den Metropolen: Schornsteine und Mietskasernen wachsen zwischen den schneebedeckten Kuppeln und Türmen empor. Mit abschätzigem Stolz blickt die in Pelz gehüllte schöne "Unbekannte" von Iwan Kramskoj aus ihrer Kutsche auf den Betrachter herab. "Das Gezücht der Großstädte" haben manche Zeitgenossen sie genannt und das Bild als Provokation empfunden.

Die Ausstellung gewinnt zusätzlich durch die großzügige Präsentation und die ausführlichen Kommentare zu jedem Bild. Dazu erklingen Modest Mussorgskis "Bilder einer Ausstellung". Der Komponist ist auch unter den Porträtierten zu finden: Kurz vor seinem Tod malte ihn Ilja Repin im Krankenhaus, mit aufgedunsenem Gesicht und zerzausten Haaren. Repin wurde zu Sowjetzeiten als Vorreiter des sozialistischen Realismus vereinnahmt. Er war wohl eher ein aufmerksamer Beobachter seiner Zeit - und dabei wie so viele Künstler und vor allem auch Tretjakow auf einer lebenslangen Suche nach der "russischen Seele". (tso/dpa)

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