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Kunsthalle: Stadt durch Kultur

Berlin ist nicht mehr in den 90ern, inzwischen macht die Kulturwirtschaft 21 Prozent des Wirtschaftskraft in der Hauptstadt aus. Es fehlt die Plattform für die angesehene Kunstszene. Warum es richtig ist, in Berlin eine Kunsthalle zu bauen, erklärt Kulturstaatssekretär André Schmitz.

Diese Nachricht bewegt die Stadt: Die Berliner Politik diskutiert im Angesicht der Wirtschaftskrise über eine Kunsthalle. Wären wir noch in den neunziger Jahren, könnte man diesen Diskurs als Ausfluss jener von Größenwahn befeuerten Realitätsferne deuten und geißeln, die Berlin in die Schuldenfalle getrieben hat und aus der sich die Stadt seit einem Jahrzehnt mühsam zu befreien sucht.

Wir aber schreiben das Jahr 2009: Bei diesem Streit stehen die Protagonisten fest auf dem Boden der Berliner Wirklichkeit. Und die besagt, dass Kunstbetrieb und Kulturwirtschaft inzwischen für 21 Prozent der städtischen Wirtschaftskraft stehen. Auch deshalb hat Kultur in den politischen Verteilungskämpfen heute viel bessere Karten als vor zehn Jahren. Die Botschaft, dass die Kunstszene der Stadt, die Museen und Galerien international hohe Aufmerksamkeit genießen, das Image Berlins als einer kreativen, dynamischen und weltoffenen Metropole prägen und zudem Arbeitsplätze schaffen, ist im politischen Raum längst angekommen. Berlin ist Stadt durch Kultur.

Die Diskutanten eint weiter die Erkenntnis, dass Berlin zur Zeit nicht in der Lage ist, seiner vitalen zeitgenössischen Kunstszene, die weltweite Bewunderung findet, eine angemessene Plattform zu geben: Polemisch wird festgestellt, dass in Berlin die Kunst entstehe, die in London, Kassel oder Venedig ausgestellt wird. Hinter dem Plädoyer für eine Kunsthalle steht die Einsicht, dass jedes Engagement für die zeitgenössische Kunst eine Investition in die Zukunft darstellt: Die hervorragenden Potenziale im kreativen Bereich werden vor Ort gestärkt, darüber hinaus steigt die Attraktivität Berlins für ein internationales Publikum – ein wesentlicher Faktor für den Berlin-Tourismus als eine wichtige Wachstumsbranche.

Eine Kunsthalle kann und soll die Lücke zwischen künstlerischer Produktion und ihrer institutionell verankerten Präsentation schließen helfen. Sie ist der „missing link“, um Berlin als Weltstadt der Gegenwartskunst auch in Zukunft international positionieren zu können. Sicher: Dieser Teil der Berliner Kunstlandschaft hat sich weitgehend unabhängig von staatlicher Einflussnahme entwickelt. Sie ist ein Ausfluss der Bedingungen und Veränderungen, die Berlin seit dem Mauerfall prägen: relativ preiswerte Lebensverhältnisse und immer wieder neu entstehende Freiräume für Kreative. Beides jedoch ist endlich. Auch deshalb ist die kulturpolitische Entscheidung für eine Kunsthalle richtig.

„Arm, aber sexy“ ist eine treffende Zustandsbeschreibung, aber kein politisches Programm. Natürlich arbeiten wir daran, dass sich die Lebensverhältnisse für die Berlinerinnen und Berliner verbessern; die Stadt soll dabei auch weiter sexy bleiben. Freie Räume für Kreative wird ein prosperierendes Berlin aber nicht nur einfach haben, sondern zunehmend auch ermöglichen müssen. Das nimmt generell die Stadtplanung in die Pflicht, führt aber auch direkt zur Gretchenfrage für den Standort einer Berliner Kunsthalle: Bauen wir sie auf dem Boden der spontan-dynamischen Entwicklung der Vergangenheit und verbinden dies mit der Hoffnung auf die Belebung von Stadtquartieren? Oder braucht eine Kunsthalle, in der genau jene vielversprechenden Künstler ihren Raum bekommen sollen, denen der Berliner „Olymp“ noch verschlossen ist, die Einbettung in ein ohnehin publikumsträchtiges und kunstaffines Umfeld?

Die Erfahrungen mit der temporären Kunsthalle auf dem Schlossplatz lassen vermuten, dass Umfeld und Konzeption entscheidend sind. Die zentrale Lage allein reicht nicht, um die oft sperrige zeitgenössische Kunst einem breiten Publikum zu erschließen. Ohne das richtige Umfeld hilft aber auch die beste Konzeption nichts. Deshalb fiel die Standortwahl auf den Humboldt-Hafen, der nahe dem Hauptbahnhof nicht nur verkehrstechnisch gut gelegen ist, sondern mit dem Hamburger Bahnhof und dem Quartier in der Heidestraße auch über genau das Umfeld verfügen wird, von dem eine solche Kunsthalle profitieren soll und kann.

Das ist kein Misstrauensvotum gegen jene Kunst, die wir mit einer Berliner Kunsthalle befördern wollen. Eine solche Kunsthalle muss das künstlerische Risiko im Programm haben. Und: Sie muss es sich leisten können. Auch deshalb halte ich die in unserem Konzept angelegte Mischung aus prominentem Standort, institutioneller Vernetzung und internationaler Ausrichtung für entscheidend. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass Berlin ohne eigenes Tun Nabel der Kunstwelt bleibt. Die Karawane wird weiterziehen. Wir sollten mit unserer Kunsthalle dafür Sorge tragen, dass an Berlin auch künftig kein Weg vorbeiführt.

Vor allem aber sollten wir darauf achten, bei allem notwendigen Streit um Konzepte und Standorte, nicht das Projekt, für das der Senat immerhin vier Millionen Euro Betriebsmittel und 30 Millionen Euro Baukosten beschlossen hat, klein zu reden oder gänzlich infrage zu stellen. Es wäre zum Schaden Berlins.

Der Autor ist Kulturstaatssekretär Berlins.

André Schmitz

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