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Kultur: Kunstkäufe des Bundes: Von wegen Abhängigkeit

Eine Kommission tritt zurück. Das passiert täglich und ist kaum eine Meldung wert.

Eine Kommission tritt zurück. Das passiert täglich und ist kaum eine Meldung wert. Doch als die seit 1971 bestehende Kunstankaufskommission des Bundes im Mai zurücktrat, war das mehr als eine Geste: Kulturstaatsminister Michael Naumann hatte die Kunstexpertin Katharina Hegewisch in das Gremium berufen, das den Bund beim Ankauf moderner Kunst beriet. Zur Kommission gehörten zuletzt die Museumsdirektoren Wulf Herzogenrath und Lucius Grisebach, die Künstlerinnen Astrid Klein und Elisabeth Vary sowie die Kunstkritiker Matthias Flügge, Petra Kipphoff und Thomas Wagner. Sie kritisierten das eigenmächtige Vorgehen Naumanns - bis dahin hatten die Mitglieder neue Kollegen selbst vorgeschlagen - sahen in der Berufung von Katharina Hegewisch, die für eine Art-Consultin-Agentur arbeitet, "die Gewaltenteilung" verletzt: "Nach unserer Auffassung ist es ein altes und ungeschriebenes Gesetz, dass nicht eine Person aus dem Kunsthandel mit entscheiden kann, wenn aus Steuergeldern Kunst gekauft wird", so Lucius Grisebach, Direktor des Neuen Museums in Nürnberg.

Naumann musste den Rücktritt akzeptieren. Anfang dieser Woche hat er nun eine neue Lösung vorgeschlagen: Der Kunsthistoriker Veit Loers, der seit 1995 das Städtische Museum Abteiberg in Mönchengladbach leitet, wird für zwei Jahre Kurator der Bundeskunstsammlung. Der 1942 geborene Loers wurde auf Empfehlung eines neuen Fachgremiums berufen, zu dem, neben Katharina Hegewisch, auch Rolf Hoffmann, Jörg Immendorff, Petra Kipphoff, Udo Kittelmann, Peter-Klaus Schuster, Monika Sprüth und Beat Wyss gehören. Naumann begründete seine Entscheidung mit den Worten: "Durch die Bestellung eines Kurators auf Vorschlag einer Findungskommission wird die Verantwortlichkeit, aber auch die jeweils eigene ästhetische Handschrift, die bislang in einem vielköpfigen Gremium verankert war, offenkundig und transparent auf eine Person konzentriert." Loers wird die Ankäufe des Bundes empfehlen, dazu stehen ihm, wie vorher der Kommision, 800 000 Mark zur Verfügung. Der Sammlung wird dies gut tun, denn ein einzelner kann ihr ein Gesicht geben, eine Richtung festlegen und mutige Entscheidungen treffen - wenngleich zwei Jahre dafür eine denkbar kurze Zeit sind.

Trotzdem lässt einen die Zusammensetzung des Fachgremiums aufhorchen: die Art-Consulterin, der Sammler, der Künstler, die Kritikerin, der Kurator, der Museumsdirektor, die Galeristin und der Kunsthistoriker. Mit dem Rücktritt hatte die Kommision ja gegen eine Verquickung protestiert, die es zwar immer schon gab, aber im aktuellen Kunstbetrieb zunehmend an Bedeutung gewinnt: Kunst und Geld. Kaum ein Museum kommt heute noch ohne private Sponsoren aus. Die Frage nach der Unabhängigkeit sei überholt, proklamierte Bernd Fesel, Vorsitzender des Bundesverbands deutscher Galerien, deshalb in einem offenen Brief. Auch andere fordern ein Umdenken, und da klingt "Vernetzung" eben besser als "Kungelei". Natürlich schafft der aktuelle Kunstbetrieb seine Abhängigkeiten: zwischen Sammlern und Ausstellungskuratoren, Galeristen und Kritikern. Die Grenzen sind durchlässiger denn je, und der Kunstmarkt ist ein Mekka für Verschwörungtheoretiker. Genau darauf hatte die Kunstankaufskommision hingewiesen, Grenzen angemahnt und auf einen neuralgischen Punkt hingewiesen. Aber der schmerzt heute offenbar niemanden mehr.

Katrin Wittneven

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