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Sotheby's-Experte Simon Shaw bei Sotheby's in New York (USA) vor einem Werk von Claude Monet (Les Glacons, Bennecourt).

© Christina Horsten/dpa

Kunstmarkt: Berlin verliert Attraktivität als Kunstmetropole

Nach der Wiedervereinigung boomte die hiesige Szene. Und heute? Experten diskutierten beim „4. Hauptstadtkulturgespräch“ über den Wandel des Kunstmarkts.

Wie viel oder wie wenig Kunstmarkt braucht Berlin? Seit der Wiedervereinigung hat die Kunstszene der Bundeshauptstadt einen unvergleichlichen Boom erlebt. Berlin ist Sehnsuchtsort vieler internationaler Künstler, die hier leben und produzieren. Mehrere Hundert Galerien sind damit beschäftigt, die entstandene Kunst einem lokalen wie internationalen Publikum zu vermitteln.

Allerdings hat sich die Stadt in den letzten Jahrzehnten dramatisch verändert. Berlin bildet nicht länger die Grenze zwischen zwei politischen Systemen und ist auch nicht mehr Spielwiese mit unbegrenzten Freiräumen, sondern zur Metropole der größten Volkswirtschaft Europas geworden. Das hat Konsequenzen für den Kunstmarkt.

Über den Status quo, die Perspektiven und die Wünsche der verschiedenen Marktteilnehmer ging es im „4. Hauptstadtkulturgespräch“ des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) in der Bertelsmann-Repräsentanz. Kristian Jarmuschek, Galerist und Vorstand des Bundesverbands Deutscher Galerien, klärte gleich zu Beginn darüber auf, was diese neue Normalität für die Kunstszene und den Kunstmarkt bedeutet: Berlin sei keineswegs mehr das Paradies für Experimente. Nicht zuletzt der Immobilienboom habe das Verhältnis zwischen Preisen und Einkommen dem von New York, London oder Paris angeglichen. Zwar seien die Mieten in Berlin immer noch niedriger als in anderen Metropolen – die Einkommen aber eben auch. So bliebe nicht nur weniger Geld für den Kauf von Kunst, sondern es werde für Künstler und Galerien zunehmend schwierig, adäquate Räume zu finden.

Berlin muss wettbewerbsfähig bleiben

Mit diesem Problem ist Berlin nicht allein. Das traditionelle Galeriemodell steht weltweit unter Druck. Die gesamte Branche befindet sich im Wandel, weiß auch Alicja Kwade, international erfolgreiche Künstlerin mit Sitz in Berlin. Sie erklärte, dass sich die Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Galeristen nicht zuletzt durch die Digitalisierung dramatisch verändert habe, sie sei schneller und direkter. Galerist Johann König, der Kwade vertritt, stimmt zu. Es reiche nicht mehr, Kunst an die Wände zu hängen und zu verkaufen. Sein Berufsbild sei wesentlich komplexer als noch ein oder zwei Generationen zuvor. Er sehe sich als „Ermöglicher“ und Vermittler zwischen Künstlern, Sammlern und Museen als Verkäufer.

All das trifft freilich nicht nur auf Berlin zu. Im Wettbewerb um Standortvorteile zählten daher auch soft facts, wie es der Berliner Sammler Thomas Olbricht nannte. So habe ihn der ehemalige Bürgermeister Klaus Wowereit emotional bei der Realisierung seines privaten Ausstellungsraum „me Collectors Room“ unterstützt. Standortnachteile seien allerdings der Politik durchaus anzulasten, da waren sich die Diskutanten auf dem Podium einig. Vor allem die im internationalen Vergleich hohe Belastung durch Mehrwertsteuer und Künstlersozialkasse sei ein Nachteil deutscher Händler und Galeristen gegenüber Wettbewerbern.

Moderator Kilian Jay von Seldeneck, Geschäftsführer des Kunsthauses Lempertz, muss seine Kunden sogar noch mit der Folgerechtsabgabe belasten. Die fiskalischen Bedingungen mögen in Deutschland überall gleich sein. Doch Berlins Wettbewerber sind die Kunsthandelszentren der Welt: New York, London, Basel, Hongkong. Steuerpolitik ist daher Standortpolitik und die Forderung der Podiumsteilnehmer eindeutig: Senkt die Mehrwertsteuer auf Kunst!

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