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Der nicht länger ungehört: Der Konzeptkünstler Jean-Ulrick Désert lebt seit 2002 in Berlin.

© India Roper-Evans

Kunstpreis für Jean-Ulrick Désert: Gegen das Vergessen

Die Galerie Savvy Contemporary stiftet einen neuen Preis für Künstlerinnen of Color. Die erste Auszeichnung geht an den in Berlin lebenden Jean-Ulrick Désert

Am Donnerstag wurde zum ersten Mal der Wi Di Mimba Wi-Preis verliehen, den die Weddinger Galerie Savvy Contemporary in Form eines Arbeitsstipendiums für herausragende Künstlerinnen und Künstler of Color ins Leben gerufen hat. Erster Preisträger ist der in Haiti geborene und in Berlin lebende Konzeptkünstler Jean-Ulrick Désert; er nahm die Auszeichnung von Bonaventure Soh Bejeng Ndikung entgegen, der den Kunstort vor 13 Jahren gründete.

Für Ndikung ist es das erste und das letzte Mal, dass er den von Savvy Contemporary und der AKB Stiftung gestifteten Preis persönlich verleiht. Im kommenden Jahr wird der kamerunische Kurator die Nachfolge von Bernd Scherer als Intendant am Haus der Kulturen der Welt antreten. „Es geht darum, an die Menschen zu denken, die großartige Arbeit geleistet haben, die aber aus unterschiedlichen Grünen immer wieder vergessen werden“, sagt Ndikung zu Beginn der Verleihung.

Jean-Ulrick Désert wurde in Haiti geboren, wuchs in New York auf, war dann zeitweise in Paris und lebt seit 2002 in Berlin. Sein letztes Projekt ist noch bis Ende des Monats in der After The Butcher Galerie in Lichtenberg zu sehen. Er beschäftigt sich darin vor allem mit Wieland Speck, dem langjährigen Panorama-Leiter der Berlinale. Dieser filmte 1978 einen Freund dabei, wie er aus Protest auf der Berliner Mauer Harfe spielte. An diesem Tag begann die Stasi eine Akte über Speck anzulegen. Désert nahm sich diese Akte vor, brannte Ausschnitte auf bunte Leinen und benutzte die Dokumentation der Staatssicherheit, um Speck eine astrologische Lesung zu geben, gekratzt in Terrakotta-Platten.

Désert sagt von sich, er mache keine explizit politische Kunst, aber er möchte den Ungehörten eine Stimme geben. Zu seinem Projekt um Wieland Speck erklärt er: „Hier gebe ich nicht nur den beiden Künstlern eine Stimme, sondern auch den Beamten der Stasi, die dort ihre Arbeit machten. Es ist nicht meine Aufgabe, das zu kommentieren, weil ich auch nicht glaube, dass das notwendig ist. Es liegt außerhalb meiner Frage.“

Über die Frage, warum Künstler wie Désert so wenig Aufmerksamkeit bekommen, will Ndikung nicht spekulieren. „Unsere Idee ist es nicht, ständig zu fragen, wieso, sondern Dinge zu bewegen! Und Kunst wie die von Désert gehört in jedes Museum, sowohl was die Tiefe der Recherche angeht als auch die Ästhetik der Präsentation.“ Dass sie im Museum landet, dafür wird der Wi Di Mimba Wi-Preis noch mindestens zehn Jahre lang sorgen – auch ohne Bonaventure Soh Bejeng Ndikung. Dieser wird im HKW noch einige Möglichkeiten haben, Krach zu mache für die ungehörte Kunst Berlins und der ganzen Welt. (Bis 31.1. in After The Butcher Galerie, Spittastraße 25, nach Voranmeldung unter 0178-3298106)

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