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Der Filmemacher und Aktivist Yalmaz Güney bei Dreharbeiten.

© Mitos

Kurdisches Filmfestival: Vom Gefängnis auf den roten Teppich

Das Kurdische Filmfestival eröffnet mit einem Dokumentarfilm über die Regie-Legende Yilmaz Güney.

Von Andreas Busche

Das kurdische Kino ist ein Kino der Entwurzelung. Was Bahman Gobadi, Hüseyin Tabak, Bülent Öztürk und Soleen Yusef verbindet, ist weniger ein Begriff von Heimat, als vielmehr eine kulturelle Identität, der sie in ihren sehr persönlichen Arbeiten nachspüren. Wenn es denn für junge Filmemacherinnen und Filmemacher eine gemeinsame Referenz gibt, ist es der 1937 in Adana im Süden der Türkei geborene Yilmaz Güney.

Offiziell wird der kurdische Schauspieler, Regisseur und Politaktivist dem türkischen Kino zugerechnet, was etwas paradox erscheint, denn seinen größten internationalen Erfolg drehte Güney unter erschwerten Bedingungen. „Yol – Der Weg“ entstand Anfang der achtziger Jahre, als der Regisseur in einem türkischen Gefängnis saß. Regelmäßig ließ er sich von seinem Assistenten Serif Gören neue Szenen in der Haft vorführen. Premiere feierte „Yol – Der Weg“ 1982 in Cannes, wo sich der Film überraschend die Goldene Palme mit Costa-Gavras’ Junta-Thriller „Missing“ teilte. Zur Verleihung erschien Güney sogar persönlich, da er kurz zuvor mit Hilfe des französischen Kultusministers Jacques Lang ins Pariser Exil gegangen war. Hier starb er 1984 auch an Magenkrebs.

Güney drehte sein Meisterwerk aus dem Gefängnis

Es ist also sinnfällig, das 8. Kurdische Filmfestival in Berlin mit Hüseyin Tabaks Dokumentarfilm über das bewegte Leben von Yilmaz Güney zu eröffnen. „Die Legende vom hässlichen König“, der vergangenen Herbst in Toronto Premiere hatte, klingt schon dem Titel nach wie ein Märchen. Legendenstatus kann man seinem Protagonisten sicher nicht absprechen, obwohl viele Informationen nur bruchstückhaft überliefert sind. Güney begann seine Karriere vor der Kamera, landete nach dem ersten Militärputsch von 1961 aus politischen Gründen für zwei Jahre im Gefängnis, stieg nach seiner Entlassung zum Star der „Yeşilçam“-Industrie auf, die sich auf Genrekino spezialisiert hatte, erfand sich Anfang der siebziger Jahre als politischer Filmemacher neu und wurde 1974 unter dubiosen Umständen wegen Mordes an einem türkischen Richter zu 19 Jahren Gefängnis verurteilt.

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Diese gebrochene Biografie macht die Geschichte Güneys auch über das kleine Segment eines potentiellen Weltkino-Publikums hinaus interessant. Aber Hüseyin Tabak hat natürlich ein ganz persönliches Interesse an der kurdischen Legende. Das Ziel seines Dokumentarfilms ist anfangs noch etwas diffus, weswegen er sich zunächst Rat bei seinem Dozenten Michael Haneke holt, bei dem Tabak an der Filmakademie Wien studierte. Was können nachfolgende Generationen von einem radikalen linken Filmemacher wie Yilmaz Güney lernen? Der entsagte dem frühen Ruhm, um seine Vision eines post-nationalistischen Kinos zu verwirklichen, in dem Kurdinnen und Kurden, aber auch Türken und Armenier aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern mit einer gemeinsamen Tradition eine Heimat finden. Der armenische Regisseur Duygu Sagiroglu erinnert sich in „Die Legende vom hässlichen König“ an seine erste Begegnung mit Güney in den Sechzigern – und an dessen Herzlichkeit.

Festivalgründer Mehmet Aktas protegiert das kurdische Kino

Die Konsequenzen (und die Probleme) dieser „Staatenlosigkeit“ beschäftigen auf die eine oder andere Weise fast alle Filme im Programm des Festivals, deren Produktionsländer sich über die gesamte Weltkarte der kurdischen Diaspora erstrecken. Der Dokumentarfilm „Radio Kobani“ aus den Niederlanden begleitet eine junge Radiojournalistin bei der Rückkehr in die syrische Heimat, „Salute to Peshmerga“ von Hassan Ali erzählt vom Genozid an den irakischen Kurden unter Saddam Hussein und in dem schwedischen Teenagerfilm „Träum weiter“ versucht die nächste Generation sich schon wieder von den Traditionen der Eltern zu emanzipieren.

Güneys solidarischer Idee trägt das kurdische Festival durch eine Reihe mit armenischen Filmen beziehungsweise Filmen über die Armenien-Thematik Rechnung, darunter auch „The Cut“ von Fatih Akin und der Dokumentarfilm „One in a Million“ von Mahmut Koyuncu. Festivalgründer Mehmet Aktas, der mit seinem Berliner Verleih Mitos seit Jahren das kurdische Kino weltweit protegiert, will mit seinem Programm nicht nur Kurden ansprechen. Themen wie Flucht, Migration, Frauenrechte, die sich durch die Filme ziehen, sind heute mehr denn je geopolitisch brisant.

23. bis 29. August im Kino Moviemento. Die Eröffnung findet am 23. August im Babylon Mitte statt.

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