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Kurzfilme: Die Zigarette danach

Fantasie im Überfluss: Hochschul-Kurzfilme beim Probelauf XV in der Akademie der Künste.

Die Schlinge um den Kopf, der Stuhl unter den Füßen, die Zigarette im Mund. Ein paar Züge noch, dann kann es losgehen. Wenn nur das verdammte Feuerzeug funktionieren würde! Also: den Suizidplan über Bord werfen, die Kippe am Toaster anzünden, und ran ans Klavier. Gregor Dashubers animierter Zehnminüter beginnt makaber, und gleich zählt man ihn zu den besten der 15 Kurzfilme des „Probelauf XV“.

In einem Mammutprogramm ohne Pause zeigt die Akademie der Künste zum 15. Mal neue Arbeiten der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb), der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ Potsdam-Babelsberg (HFF) und einer Gasthochschule. Sie kommt dieses Jahr aus Istanbul – und passt somit in die Ausstellungsreihe „Istanbul Next Wave“ und zu 20 Jahren Städtepartnerschaft mit Berlin.

Thematisch überaus ernst sind etliche Filme der türkischen Filmstudenten geraten. Sie handeln von Vergewaltigungen, Selbstmordattentaten und Armut. Besonders beeindruckt Senem Tüzens 30-minütiger Spielfilm aus dem türkischen Dorfleben. Die junge Emine teilt sich ein Zimmer mit zwei Geschwistern, die unentwegt brüllen, einer Oma, die unentwegt betet – und einer Mutter, die mit Steinen nach ihr wirft. Was es da für das Mädchen bedeutet, den Eimer Milch auszuschütten, den es besorgen sollte, verrät „Milk and Chocolate“ nicht. Das mag der Zuschauer sich ausmalen.

Aber was wäre erst mit Aron passiert, wenn er seinen Ausweis am Tatort vergessen hätte! Obwohl der 19-Jährige einen Geldtransporter überfällt, wünscht man ihm nur Gutes. Schließlich braucht er 11 000 Euro, um seinen Vater aus dem Gefängnis freizukaufen. „Der neue Tag“, ein Kurzfilm des dffb-Studenten David Nawrath, erzählt von einem Kind, das zu früh erwachsen wird. Eine feinfühlige Metapher auf problematische Familienverhältnisse in Deutschland.

Doch es geht auch heiter zu beim diesjährigen Probelauf. Die Animationsfilme entzücken mit Ironie und Übertreibung. So tauchen „Klotz und Klumpen“ ausgerechnet an einem Dienstag an der Bushaltestelle auf. Wo doch groß auf dem Fahrplan steht: „Montag, 15 Uhr“. Müssen die liebenswerten Knetfiguren eben eine knappe Woche warten. Den HFF-Absolventen Michael Herm und Stephan Sacher gelingt ein regelrechter Kunstgriff: Obwohl viel passiert, passiert nichts. Die Männchen trinken ein Schlückchen, rauchen ein Tütchen und essen ein Pilzchen, um danach mit lila unterlaufenen Augen aufzuwachen.

Übrigens: Dashubers HFF-Diplomfilm „Never drive a car when you’re dead“ über den final abgelenkten Selbstmörder endet auch makaber. Ein Leichenwagen bringt den Piano-Protagonisten zwar zu seiner eigenen Beerdigung, vorbei an Blut spuckenden Junkies. Als der Abspann aber gelaufen und der Lebensmüde totgedacht ist, kommt er wieder zu sich. Der Strick ist gerissen, der Zigarettenstummel glüht. Schmunzelnd zieht er daran.Annabelle Seubert

Annabelle Seubert

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