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Kylie Minogue im April 2018 in der Royal Albert Hall in London.

© Andrew Parsons/Sunday Times/PA Wire/dpa

Kylie Minogue in Berlin: Die Glitterkanone läuft heiß

Squaredance in Chaps und regnende Goldfäden: Die australische Pop-Ikone Kylie Minogue spielt im Berliner Tempodrom eine Gute-Laune-Sause.

Nicht nur I feel betta with Lametta. Kylie Minogue auch. Darum lässt die australische Sängerin, die mit ihrem in diesem Jahr erschienenen, 14. Album „Golden“ momentan auf Europatour ist, am Montag Abend Goldfäden regnen, Flitterbomben hochgehen, und macht aus dem Tempodrom eine hübsche schwule Sause. Bei der sie als Zeremonienmeisterin fungiert, als freundliche MC, keine Zicke, keine Diva. Eben das „Girl Next Door“, das sie immer war.

Dabei sollte „Golden“, jedenfalls empfanden das einige so, schon ein bisschen ein Neuanfang sein: Kylie, mittlerweile 50, in Cowboyhut und -stiefeln, mit Banjospiel auf „A Lifetime To Repair“, mit Texten über alte Autos in „Shelby ’68“, mit Akustikgitarre im Videoclip zu „Golden“. Wer genau hinhört, und das haben eine Menge – die Platte stieg in Australien und Großbritannien auf Platz 1 ein, in Deutschland belegte sie wochenlang Platz 3 – der merkt schnell, dass Kylie sich selbst treu blieb: Wirkliche Experimente liegen ihr so fern wie Skandale.

Kylie ist die mit großen Zähnen lächelnde, kleine Frau, die den Kopf auf den Punkt zur Seite wenden und in die Kamera gucken kann, deren Locken immer ein wenig von einem Gebläse aus den Gesicht gepustet zu werden scheinen. Sie ging zwar in den beiden von der Regisseurin Dawn Shadforth inszenierten, ikonischen Videoclips zu „Spinning Around“ und „Can’t Get You Out Of My Head“ mit Goldlamé-Hotpants und offenem Catsuit in die Sexy-Pop-Annalen ein. Doch wohlgefühlt, das sagte sie einst in einem Interview, habe sie sich in knappen Shorts nicht.

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In Berlin fühlt sie sich wohl, das merkt man. Die neue Live-Show ist aufgebaut wie eine gutgemachte Schulaufführung, oder wie Tanzszenen aus „A Chorus Line“. Die acht Tänzer und Tänzerinnen tanzen mal nebeneinander, mal scharen sie sich um Kylie, mal mimen sie kleine eigene Geschichten an den Bühnenrändern. Kylie wechselt vom Flatterkleid in einen weißen Overall, vom kleinen Schwarzen in goldenen Lurex, das Beste hebt sie sich bis zum Schluss auf: Bestickte Overknees zu einem türkis-glitzernden Romper, darüber ein weißes Cape. Dass es das alles überhaupt in ihrer Größe gibt!

Die Band bleibt in schickem Braun, aber die Tänzer ändern ihre Outfits ebenfalls mit den Stimmungen: Als es zu Anfang um das kernige Countryfeeling der neuen Platte geht, zeigen sie den Squaredance in Chaps, dann läuft auf dem Bühnenhintergrund ein Motorradfilm, und alle, auch Kylie, kommen in schwarzem Leder. Beim Disco-Part, der mit ihrem neuen Song „New York City“ beginnt und das Studio 54 imitiert, wird über die Bühne gevoguet, eine Tänzerin trägt Andy Warhol-Perücke, die Glitterkanone läuft heiß.

„Wir kennen uns teilweise schon über 30 Jahre“, ruft Kylie irgendwann in den Saal, und der jubelt, winkt und nickt hellauf begeistert, denn es ist ja schließlich tatsächlich so: Mit 50 hat Kylie das Durchschnittsalter einflussreicher Popmusikerinnen erreicht – und das der durchschnittlichen Fans. Kylie ist quasi so alt wie Pop selbst. Bei den restlichen Deutschlandkonzerten (sie war schon in München und Frankfurt, und will noch nach Köln und Hamburg) war es angeblich nicht ganz voll, im Tempodrom gehen Angebot und Nachfrage gut zusammen: In einer der beiden gesichtslosen Groß-Locations am Mercedes-Platz wäre Kylie verloren gegangen.

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Im Tempodrom kann sie einem Fan in der ersten Reihe jedoch persönlich eine Rose schenken, und dazu kurz „Where The Wild Roses Grow“ ansingen - jenes Duett mit Nick Cave, in dem es um den Mord eines Mannes an seiner Geliebten geht, die am Ende des dazugehörigen Videoclips wie Hamlets Ophelia im Wasser treibt (und noch ein bisschen weitersingt). Es wirkt fast anachronistisch: Ach ja, das war damals, 1995, dieser kurze Ausflug in eine düstere Atmosphäre, der ihr eigentlich gut stand.

Hernach wurden ihre Songs erwachsener, reduzierter, körperbetonter. Sie verloren die Bubblegum-Anmutung, das enervierende „lucky lucky lucky“ der 80er-„Stock Aitken Waterman“-Produktionen. 2005 hatte Kylie eine Krebserkrankung überwunden, seitdem trudelt sie langsam und vorsichtig Richtung ewiger Pop-Himmel, einzuordnen irgendwo hinter Madonna und weit vor C.C. Catch. Sie probierte verschiedene Stile und Produzenten aus, machte Werbung, kreierte recht penetrant riechende Parfums mit Namen wie „Darling“, „Sexy Darling“, „Dazzling Darling“ und „Pink Sparkle Pop“ und stritt sich mit der anderen zwischenzeitlich berühmt gewordenen Kylie (Jenner) um die Marke „Kylie“.

Aber am Montag in Berlin ist sie gut gelaunt. Man kann sie sich eh kaum anders vorstellen. Wahrscheinlich ist sie einer der Menschen, die nie lange sauer sind (und auch Jenner längst verzeihen würden, wenn die Anwälte das nicht übernommen hätten). Nach über anderthalb Stunden auf hohen Schuhen stapft sie noch präzise im Takt über die Bühne, winkt, scherzt, redet, schäkert mit Kollegen. Nur ihre Stimme, nun ja, die gehörte noch nie wirklich zu ihren Wucherpfunden, und klingt nach einer Weile ein wenig mickeymousig. Was zu ihren alten Songs (eine Disco-Version von „Locomotion“, „On A Night Like This“) wiederum ganz gut passt. Denn Pop bleibt Pop, da helfen keine Pillen.

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