zum Hauptinhalt
Yehuda Bacon zeichnete als Häftling in Auschwitz-Birkenau seinen dort ermordeten Vater.

© Farbfilm Verleih

KZ-Dokumentation „Weil ich Künstler war“: Sie malten die Landschaft des Todes

Zeichnen im Konzentrationslager? Das haben die Nazi-Aufpasser strikt verboten. Und trotzdem gab es Häftlinge, die heimlich auf gestohlenem Papier den Lageralltag abgebildet haben. Den Schrecken. Und die Schönheit. Davon erzählt der französische Dokumentarfilm „Weil ich Künstler war“.

Der Lagerhimmel, die Lagerbäume, die Lagersteine – und erst dann die Gesichter der Greise, die die NS-Vernichtungsmaschinerie überlebt haben. Und die wider alle Vernunft und das strikte Zeichenverbot auch im KZ blieben, was sie vorher waren: Maler. Menschen also, die sich nicht als Dokumentaristen verstehen, sondern als Künstler, die sich ein eigenes Bild von der Wirklichkeit, eine eigene Wahrheit schaffen. Auch und gerade von der höllischen.

Christoph Cognet nähert sich den Zeitzeugen seiner KZ-Dokumentation „Weil ich Künstler war“ in seiner stillen Eingangselegie behutsam an. Und das in Cinemascope. Sofort kommen einem die eindringlichen Verse des Exilschriftstellers Hans Sahl in den Sinn: „Wir sind die Letzten. / Fragt uns aus. / Wir sind zuständig. / Wir tragen den Zettelkasten / mit den Steckbriefen unserer Freunde / wie einen Bauchladen vor uns her.“

Aus den Zetteln, den Steckbriefen, sind Bilder geworden, deren Perspektiven und Texturen die Kamera sorgfältig erforscht. Meist gezeichnete, weil das im Verborgenen am einfachsten zu machen war – auf zerrissenen Papiersäcken, SS-Formularen, aus Werkstätten gestohlenem Papier. Oder auch Gemälde, die aber erst nach der Konzentrationslagerhaft aus dem Gedächtnis entstanden.

Zeichnungen aus dem Lagerleben: abstoßend und faszinierend

Sicher, das Wissen über das Lagerleben, in dem es neben Elend und Tod auch instrumentalisierte schauspielernde, musizierende oder schreibende Insassen gab, ist so geläufig wie die filmischen Mittel – Interviews mit Überlebenden, meditative Kamerafahrten durch die dröhnende Leere der Lagerstraßen und besenreine Gedenkstätten-Krematorien. Und doch ist es staunenswert, dass der Regisseur überhaupt noch Gesprächspartner für sein besonderes Thema der KZ-Forschung hat auffinden können. Zumal das spektakulärste Zitat aus den Aufzeichnungen des 2005 verstorbenen slowenischen Malers Zoran Mušim stammt, der 1944 nach Dachau verschleppt wurde: „Ich kann es nicht wagen zu sagen. Ich sollte es nicht sagen. Aber für einen Zeichner war es unglaublich schön.“

Mušim hat 200 Zeichnungen im KZ angefertigt, 30 haben das Kriegsende überstanden. Er ist gleichermaßen moralisch abgestoßen wie ästhetisch fasziniert von den abstrakten Körperlinien und Blässeschattierungen der Leichenberge – dieser ungeheuerlichen, nie zuvor gesehenen „Landschaft des Todes“. Aufregend, wie die fünf Zeitzeugen teils zögernd zustimmend, teils mit wütender Ablehnung auf seine Position reagieren. Auch wenn sie, wie der französische Auschwitz-Überlebende Walter Spitzer, sogar so weit gehen, in einem den Tod in der Gaskammer abstrahierenden Frauenakt die Täterperspektive einzunehmen.

Kino Intimes

Zur Startseite