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Suzi Gardner, Donita Sparks, Demetra Plakas und Jennifer Finch sind L7.

© Promo

L7 live in Berlin: Krawallschwestern im Monstertruck

Die legendäre kalifornische Rockband L7 gab im Berliner Columbia Theater ein mitreißendes Konzert.

In Berlin mag ja vieles nicht mehr richtig funktionieren, und vielleicht wäre es sogar angebracht, dass die OSZE uns in zwei Wochen Wahlbeobachter schickt. Doch eins können wir immer noch ganz hervorragend: Feiern.

Das merkt auch Donita Sparks beim Auftritt ihrer Band L7 im Berliner Columbia Theater sofort. „Rock’n’Roll is alive and well in Berlin“, sagt die Sängerin und Gitarristin anerkennend zwischen zwei Songs. Denn ab Minute eins wird vor ihr getobt, grölt und mit Bierbechern geworfen. Die vordere Hälfte des Saals ist immer in Bewegung, ein paar ungeschickte Crowdsurfer sind auch unterwegs.

Dass der Rock’n’Roll an diesem Abend so lebendig und wohlauf erscheint hat, natürlich vor allem mit den vier Frauen auf der Bühne zu tun. Nach einer 13-jährigen Pause hat sich die legendäre Gruppe aus Los Angeles wieder zusammengetan, die das Erbe der Runaways würdig weiterführte und die Generation der Rrriot Girl- Bands beeinflusste. Sie sind ohne neues Album, aber mit jeder Menge Power und Lust an der Krawallschwesternschaft auf Tour gegangen.

Donita Sparks' Haare wehen im Windmaschinenwind

In Berlin knallen sie als dritten Song gleich „Everglade“ auf die Bretter, eines ihrer besten Lieder. Gesungen wird es von Bassistin Jennifer Finch, deren Mikrofon glücklicherweise gut eingestellt ist. Das von Donita Sparks ist lange viel zu leise. Dafür kracht ihre schwarz-weiße Gibson Flying V ganz wunderbar. Und wenn sich die 53-Jährige beim breitbeinigen Spielen leicht zurücklehnt und dabei ihre blonde Mähne von der Windmaschine durchwirbeln lässt, kann sie nur mit einem Wort adäquat beschrieben werden: Rockgöttin. Die goldenen Verzierungen auf ihren Armen, die schön mit ihrem goldenen Eckzahn und dem Goldschmuck harmonieren, verstärken diesen Eindruck.

Synchron schrubben sie die Powerchords

Neben Sparks steht Suzi Gardner, mit der sie L7 Mitte der Achtziger gegründet hat. Auch sie ist mit ihrem Latex-Mini, dem schwarzen Totenkopfhemd und dem Nietenhalsband eine imposante Erscheinung. An ihrer linken Hüfte hängt eine riesige Metallkette, mit der man locker einen Kleinwagen abschleppen könnte, links baumelt ein kleiner Fuchsschwanz. Und auf ihre Gitarre hat sie sich ein Hufeisen genagelt – bringt auf jeden Fall Glück: Wenn sie und Sparks gleichzeitig ihre Powerchords runterschrubben, klingen sie wie ein mächtiger Monstertruck, der alles überrollt. Soli werden nur angedeutet, dideldideldi – ihr wisst schon, lasst uns weiterbrettern.

Ein Höhepunkt des 70-minütigen Konzertes ist „Shove“ vom großartigen zweiten Album „Smell The Magic“. Suzi Gardners schneidender Gesang, die gemeinsam gebrüllten Refrain und die autoritären Drumbreaks von Demetra Plakas peitschen es zu einer knalligen Hymne. Das Album kam 1991 beim Nirvana-Label Sub Pop heraus, und tatsächlich erinnern L7 mitunter an ihre Grunge-Brüder aus Seattle. Doch im Unterschied zur Cobain-Bande oder den kürzlich ebenfalls wiedervereinigten Sleater-Kinney ist bei den Kalifornierinnen auch Humor im Spiel. Sie lachen viel auf der Bühne, Jennifer Finch wirft sich in ulkige Posen, dreht Pirouetten und streckt zum Abschied ihren Bauch raus. Mit der Ohrwurm-Melodie des Hits „Pretend We’re Dead“ im Kopf schwirrt die erschöpft-glückliche Menge hinaus in die Nacht. Gut, dass der Rock’n’Roll noch lebt.

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