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Kultur: "La Belle"-Prozess: Reise nach Tripolis: Eine Chronologie des Anschlags und seiner Folgen

Eine mit Eisenteilen versetzte Drei-Kilo-Bombe, zwei tote US-Soldaten, eine getötete Türkin, 200 weitere Verletzte und eine zerstörte Diskothek, das "La Belle" in Berlin-Schöneberg - damit fing die unendliche Geschichte des La-Belle-Prozesses an. Der 5.

Eine mit Eisenteilen versetzte Drei-Kilo-Bombe, zwei tote US-Soldaten, eine getötete Türkin, 200 weitere Verletzte und eine zerstörte Diskothek, das "La Belle" in Berlin-Schöneberg - damit fing die unendliche Geschichte des La-Belle-Prozesses an. Der 5. April 1986 war ein Freitag. Am Rand der Tanzfläche explodierte in der überwiegend von GIs besuchten Tanzbar ein Sprengsatz, vermutlich vorbereitet und verübt von einem Libyer, zwei Palästinensern und zwei deutschen Frauen. Diese fünf zumindest müssen sich seit nunmehr dreieinhalb Jahren vor dem Berliner Landgericht für die Tat verantworten. Über dem Verfahren schwebte bislang stets die Frage: Ist der libysche Revolutionsführer Muammar el Gaddafi in den Anschlag verstrickt?

Der Antwort ist der Vorsitzende Richter mit dem gestrigen 255. Verhandlungstag im La-Belle-Prozess möglicherweise ein Stück näher gerückt. Hatten bislang nur ein Funkspruch und die Einlassungen zweier Angeklagter die Anklage der Staatsanwaltschaft gestützt, wonach Gaddafi hinter dem Attentat stand, könnte jetzt der außenpolitische Berater des Bundeskanzlers, Michael Steiner, diese These mit einer Aussage erhärten.

Zum Thema Hintergrund: Der Anschlag auf die Diskothek "La Belle" Chronologie: Stationen der juristischen Aufarbeitung Der damalige US-Präsident Ronald Reagan war davon überzeugt, dass Gaddafi hinter dem Anschlag steckte, und ließ als Vergeltung die Städte Tripolis und Bengasi bombardieren. Dabei wurden mehr als 30 Menschen getötet, darunter eine Adoptivtochter Gaddafis. Reagan hatte sich bei seiner Entscheidung offenbar auf einen Funkspruch gestützt, der am Morgen des 5. April 1986 zwischen der libyschen Vertretung in Ostberlin und der libyschen Hauptstadt Tripolis abgefangen worden war. Er lautete: "Die Aktion hat um 1.30 Uhr stattgefunden, ohne eine Spur zu hinterlassen."

Ost-Berlin hütete brisantes Material

Nach Berlin gelangte dieses Beweisstück erst zehn Jahre nach dem Attentat. Zuvor lag es sicher verwahrt in Pullach - beim Bundesnachrichtendienst. Der reichte die Unterlage erst weiter, als im Herbst 1996 einer der späteren fünf Angeklagten eine Aussage über die Verstrickung der libyschen Führung gemacht hatte.

Der La-Belle-Prozess könnte als Lehrstück für die Verstrickung der Geheimdienste in den Kalten Krieg, das Gegeneinanderarbeiten der Dienste und die Gegensätzlichkeit von außenpolitischen und innenpolitischen Interessen dienen. Noch in den 80er Jahren präsentierten die Ermittlungsbehörden mutmaßliche Täter. Die Beweise reichten jedoch nicht einmal für eine Anklageerhebung. Die Ermittlungen führten zu keinen relevanten Erkenntnissen. Weder Pullach noch die amerikanischen Agenten gaben ihr Wissen preis.

Licht ins Dunkel schien erst der Zusammenbruch der DDR zu bringen: Die Stasi-Akten enthielten brisantes Material, Ost-Berlin war also die ganze Zeit im Bilde gewesen. Nach anfänglichem Widerstand gab der Osten die Akten an die West-Berliner Justiz heraus, die 1990 die Ermittlungen wieder aufnahm. Verhaftungen folgten, ein Prozess wurde eröffnet, der jedoch im April 1994 nach nur drei Tagen mangels Zeugen abgebrochen werden musste.

Bis zum Herbst 1996 waren mindestens drei der jetzt Angeklagten in die Ermittlungen einbezogen, in der Hand deutscher Behörden, angeklagt oder gar wegen mangelnder Beweise vom Vorwurf der Beteiligung am Attentat freigesprochen worden. Und als sich Tripolis im Herbst vergangenen Jahres bereit erklärte, bei der Aufklärung mitzuhelfen, durfte zwar Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis in Libyen Vernehmungen durchführen. Unter den sechs Zeugen jedoch sind zugleich fünf Beschuldigte, die - obwohl als Hintermänner vermutet - weiterhin in Libyen bleiben. Mehlis nannte die Reise anschließend "interessant".

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