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Kultur: Lachen mit links

Italiens Theaterzauberer Dario Fo zum 80.

Adriano Celentano hatte sich ihm als Berater angeboten; zum Kandidaten für das Mailänder Bürgermeisteramt reichte es trotzdem nicht: Dario Fo unterlag bei der Wahl dem früheren Präfekten Bruno Ferrante. Im Wahlkampf hatte er die Mailänder gewarnt: „Wenn ihr einen Gemäßigten sucht, dann wählt nicht mich, denn mit mir wählt ihr das Risiko!“ Und auf den Plakaten des Benetton-Fotografen Oliviero Toscani hieß es: „Keine Angst, Mailand, ich bin kein Gemäßigter!“ Einen kreativeren Wahlkampf hat man in Italien selten gesehen.

In den Siebzigerjahren, ungefähr zur selben Zeit, als der spätere deutsche Außenminister Joschka Fischer auf den Straßen von Frankfurt kämpfte, wurde Dario Fo zum meistgespielten Autor an deutschsprachigen Theatern. Mit den Politfarcen „Bezahlt wird nicht“, „Zufälliger Tod eines Anarchisten“, „Mamas Marihuana ist das beste“ und den mit Franca Rame verfassten feministischen Stücken „Nur Kinder, Küche, Kirche“ oder „Offene Zweierbeziehung“ traf er den Nerv des linken Zeitgeists. Und übertraf ihn zugleich. Dario Fo hatte einen anarchischen Witz, der den ideologischen Spät-68er-Debatten in Deutschland gründlich abging. Kaum zu glauben: Er brachte die deutsche Linke zum Lachen.

Seitdem wird Fo hierzulande vor allem als politischer Autor wahrgenommen. Wer zu Beginn der Achtziger in Italien erlebte, wie er sich bei einer seiner legendären Schauspieldirektionen mit animalischer Körperkunst und ein paar Brummlauten sekundenschnell in einen Tiger verwandelte, der begriff schnell, dass dieser Künstler mit der üblichen Vorstellung von einem Autor wenig zu tun hat. Dario Fo ist barocker Erzähler, rasanter Fabulierer – ein Zauberer. Er lässt die Scheiterhaufen der Inquisition knistern und Indiostämme aufmarschieren („Johan vom Po“), und (nach der Einnahme von Zaubertränken) Penisse ins Unermessliche wachsen („Mister Buffo“). In einer berühmt gewordenen Pressekonferenz der Siebziger demonstrierte er, wie die RAF-Rechtsanwälte Pistolen ins Gefängnis geschmuggelt haben könnten: im Hintern.

Eigentlich wollte Dario Fo, der Dramatiker, Schauspieler, Regisseur, Bühnenbildner und Literaturnobelpreisträger – Maler werden. Noch heute illustriert er Bücher, entwirft Plakate und Bühnenbilder. Sein literarisches Werk lässt sich grob in drei Phasen einteilen: die der „intelligenten Revuen“ und satirischen Farcen bis Ende der Sechziger, die der militanten Politfarcen bis in die Achtziger und die des „erzählten“ Volkstheaters von „Mistero Buffo“ bis zum „Unaufhaltsamen Aufstieg Ubus des Kleinen“ (alias Silvio Berlusconi). Diese Texte werden täglich fortgeschrieben, manchmal direkt auf der Bühne.

Ein Glück, dass Fo mit 26 Jahren Franca Rame begegnete. Sie ist mehr als nur seine Muse: sein Eckermann, sein soziales Gewissen, sein Bezug zur Wirklichkeit. Der Kritiker Ugo Volli hat die beiden Unzertrennlichen einmal so charakterisiert: „Fo ist vor allem der Künstler, kreativ und unordentlich. Rame die Politikerin und Organisatorin des Theaters.“ Selbst auf der Bühne, wo Dario Fo seine Stücke gerne auch mal zu Tode slapstickt, ruft sie ihn gelegentlich zur Ordnung.

Heute feiert Dario Fo seinen 80. Geburtstag. Weder die Stadt Mailand mit ihrem regierenden Rechtsbündnis noch die Berlusconi-Regierung werden ihm eine Feier ausrichten. Dennoch steigen am Abend zwei große Partys. Ort und Rahmen sind top secret, bis 18 Uhr: zur Überraschung des Jubilars.

Sabine Heymann

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