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Kultur: Lange her

Diedrich Diederichsen über das Comeback der Fehlfarben Die beliebte VivaModeratorin Charlotte Roche läuft durch Düsseldorf und bringt kleine Beschriftungen an öffentlichen Orten an. Hin und wieder sieht man sogar die Fehlfarben selbst in diesem Video für - immerhin - ihre neue Single „Club der schönen Mütter“ hinter Caféhausfenstern oder anderen Sichtbehinderungen, aber sie lassen keinen Zweifel, dass sie nicht wirklich etwas mit dem Genre Pop-Video zu tun haben.

Diedrich Diederichsen über

das Comeback der Fehlfarben

Die beliebte VivaModeratorin Charlotte Roche läuft durch Düsseldorf und bringt kleine Beschriftungen an öffentlichen Orten an. Hin und wieder sieht man sogar die Fehlfarben selbst in diesem Video für - immerhin - ihre neue Single „Club der schönen Mütter“ hinter Caféhausfenstern oder anderen Sichtbehinderungen, aber sie lassen keinen Zweifel, dass sie nicht wirklich etwas mit dem Genre Pop-Video zu tun haben. Sie halten das Profil niedrig, wie man auf Englisch sagt. Eine vage an Jean-Luc Godard („One Plus One") und Situationismus gemahnende Idee, eine ebenso glamouröse wie korrekte Repräsentantin der zeitgenössischen Jugend, eine, die selbst noch jene ältesten der alten Männer kennen, die sonst jede Videoguckerei verweigern, und eine Sahnehaube Lokalpartriotismus – das ist alles. Denen kann man eigentlich keine Anbiederei an zeitgenössische Verhältnisse vorwerfen.

Was aber im Zuge ihres immens beachteten und besprochenen Comebacks, im Zuge eines von Bestseller-Buch (Jürgen Teipel, „Verschwende Deine Jugend", Suhrkamp) und Ausstellung („Zurück zum Beton", Kunsthalle Düsseldorf) angeheizten Revivals deutschen Punks, insbesondere Düsseldorfer Prägung, den Fehlfarben vorgeworfen wird, etwa von Thomas Groß in der „taz", ist Geschichtsblindheit. Nicht mitbedacht zu haben, dass viel passiert sei seit damals, dass man doch nicht so tun dürfe, als könne man einfach da weiterreden, wo man vor zehn bzw. zwanzig Jahren das letzte Mal den Mund zugemacht hat.

Dieser Vorwurf verkennt eins. Die Fehlfarben waren nie eine Band der Aktualität. Sie haben schon 1980 Rückschau gehalten, ihr Grundton war immer schon ein verklingender, ihr Gemüt vom Grau des Schleiers verdunkelt, der immer schon über der Stadt liegt. Die Fehlfarbe war nicht die seltene, fehlende Farbe einer Reihe, sondern anders als bei der Zigarre das Fehlen jeglicher Farbe. Diese Stimmung wird aber nicht formuliert aus der brennenden Langeweile einer Jugend, die noch auf neues Ding und Jugendbewegung wartet, sondern damals schon aus der präpotenten Sicherheit heraus, dass man das Beste allemal hinter sich hat. Das Beste, das war Punk 77 oder 78. „Der Herzschlag der besten Musik“. Und darüber konnten sie schon 1980 singen: „Das war vor Jahren.“ Und das ist heute immer noch lange her.

Die Fehlfarben gehören zu den Leuten, die sich die enorm stabilisierende Gewissheit, etwas ganz Großes am eigenen Leibe erfahren zu haben, nicht davon nehmen lassen wollen, etwas zweitbestes Späteres auch ganz schön zu finden. Dies ist aber die eine von genau zwei möglichen Haltungen des Pop-Songs. Die andere formulieren die Small Faces in „Itchycoo Park“. Es gibt nur entweder Hymne an das Here&Now („It´s all so beautiful“) oder die Melancholie, die im Modus der Erzählung selbst beschlossen ist. Denn erzählen kann ich nur von Momenten, die gewesen sind und in denen andere Pop-Musiken ohne narrative Song-Form (Jazz, Techno, Pogo, Metal) grenzenlose Gegenwart verbreitet haben und Intensität bis zum Irrewerden gestiftet haben. Der Song entsteht immer erst am Morgen danach, frühestens. Immer erst, wenn die „music in the cafes at night and revolution in the air“ (Bob Dylan) verstummt ist. Ja, sie wird bekanntlich erst am Tage geschrieben, an dem „the music died“ (Don McLean) und nachdem die „good guys lost“ (Leonard Cohen). Davon kann man dann erzählen, bis man alt und grau wird und auch noch danach. Denn die große Musik, der Sex, die Revolution, von denen man erzählt, bleiben ja tot, die Legende lebt weiter. Und wenn man zwischendurch von was anderem redet, schönen Müttern und überzogenen Konten etwa, dann tut man dies vor genau diesem Hintergrund. Jeder weiß dann, dass der Dispo überzogen ist, weil man sich ja irgendeinen Ersatz für entgangene Intensitäten leisten muss.

Einmal im Leben macht man es natürlich anders. Dann schreibt man eine Hymne. Die ist einem dann für den Rest des Lebens peinlich, so wie den Fehlfarben „Ein Jahr (es geht voran)“. Man müsste mal Leonard Cohen fragen, wie er eigentlich zu seinen zwei, drei Hymnen-Fehltritten steht, vor allem zu seinem schönsten, „Don´t Go Home With Your Hard-On“, von seiner besten Platte, „Death Of A Ladies Man“ (mit Phil Spector). Die müsste ihm nicht peinlich sein. Aber das war halt auch vor Jahren und der Ladies Man, der da so rührend prahlt, ist eben auch im Albumtitel schon gestorben.

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