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Kultur: Lasset uns springen!

Dirigent Ivan Fischer startet im Konzerthaus

Mit einem Überraschungskonzert präsentiert sich Ivan Fischer am heutigen Donnerstag als designierter Chefdirigent des Berliner Konzerthausorchesters. Außer den Musikern, die er ab Herbst 2012 leiten wird, weiß noch keiner, was abends am Gendarmenmarkt gespielt wird. Eine ganz schön selbstbewusste Geste zum Start: Als ob die hauptstädtische Kulturszene mit brennender Neugier allein diesem Auftritt entgegenfieberte! Sicher, Ivan Fischer ist ein weltweit anerkannter Künstler – doch in Berlin, wo sich die Klassikstars geradezu um Auftrittstermine balgen, kauft das Publikum normalerweise keine Katzen im Sack.

Wer allerdings den 60-jährigen Ungarn am Dienstag im Gespräch mit Konzerthaus-Intendant Sebastian Nordmann erlebt hat, merkt schnell, dass hinter der Nummer mit dem Überraschungskonzert keine übersteigerte Eitelkeit steckt. Fischer betreibt einfach gerne Routineprävention mit ungewöhnlichen Maßnahmen: Beim jüngsten Auftritt mit seinem Budapest Festival Orchester in der Londoner Royal Albert Hall durften die Zuhörer spontan entscheiden, welche Werke gespielt werden sollten. Der Notenbibliothekar flitzte dann jeweils in den Lastwagen mit dem aus Ungarn herbeigeschafften Archiv, warf den Musikern die Stimmen auf ihre Pulte und los ging’s! Vor jeder Probe mit seinen Budapestern dagegen lässt der Dirigent erst einmal einen Bach-Choral spielen – als kollektive Atemübung, um den Übergang von der Alltagshektik zur Kunstkonzentration zu erleichtern.

Ivan Fischer ist das, was moderne Menschen old school nennen. Kein smarter Selbstvermarkter, sondern ein Über-Musik-Nachdenker, ein intellektueller Kapellmeister mit sanfter Stimme und österreichischem Singsang, in Habitus wie Habit denkbar unglamourös. Und ein Gesamtkunstwerker, der jüngst bei einer Don-Giovanni-Inszenierung nicht nur dirigiert, sondern auch Regie geführt hat, der zum Spaß komponiert, Briefe am liebsten mit der Hand schreibt, aus purer Neugier Hypnose gelernt hat und selbst von komplexen Akustik-Details spannend und allgemeinverständlich erzählen kann. Als er am vergangenen Sonntag das Konzerthausorchester bei der TV-Aufzeichnung des „Echo Klassik“ zu dirigieren hatte, fuhr Ivan Fischer frech mit dem Fahrrad am roten Teppich vor. Nach diesem populären Präludium will er nun aber ganz intensiv in die Arbeit mit seinen Berliner Musikern einsteigen: „Ich fühle deutlich, dass sie bereit sind für einen großen Sprung nach vorne“, schwärmt er. Um sofort hinzuzufügen: „Ist das nicht eine herrliche Aufgabe? Ich muss sie nur noch springen lassen!“

Zu Hause in Budapest übrigens rennt ihm das Publikum bei seinen Überraschungskonzerten regelmäßig die Türen ein. Für Fischers Gendarmenmarkt-Debüt heute gibt es noch Karten an der Abendkasse. Frederik Hanssen

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