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Kultur: Lasst Katzen an den Träumen kratzen!

Köln verleiht dem amerikanischen Comic-Zeichner Robert Crumb museale Weihen

Man kann darüber streiten, ob Janis Joplin ihren kometenhaften Aufstieg Ende der Sechzigerjahre allein ihrer Stimme verdankt – oder nicht zu einem guten Teil auch dem genialen Cover, das Robert Crumb 1968 für die Platte „Cheap Thrills“ der Gruppe „Big Brother and the Holding Company“ gestaltete, der die Rock-Lady damals ihre heisere Stimme lieh. Zwei Jahre später konnte das deutsche Publikum sich an fortlaufenden Geschichten Crumbs berauschen: Mit dem schmalen Band „Head Comix“ lieferte der links-avantgardistische Frankfurter März Verlag seligen Angedenkens (Lese-)Stoff für unzählige WGs, Kiffer-Kommunen und Einzel-Freaks.

Das Underground-Image ist Crumb, geboren 1943 in Philadelphia und und in einem denkbar spießigen Umfeld aufgewachsen, nie mehr losgeworden. Zwischen 1967 und 1974 lebte er in der Hippie-Hauptstadt San Francisco, LSD stets griffbereit, ehe er mit seiner späteren Frau Aline aufs Land ging. 1990 schließlich emigrierte er nach Südfrankreich, wo er seine alte Liebe zur Volksmusik des amerikanischen Südens auf französische Musiktraditionen ausdehnt.

Da kann es nicht verwundern, dass museale Weihen folgen: Nach dem immerhin noch fachspezifischen Karikaturenmuseum Krems ist es jetzt das Kölner Museum Ludwig, das Crumb eine umfassende Ausstellung widmet (und nebenbei den Bogen von der im Hause reich vertretenen Pop Art zum zeitparallelen Underground schlägt). Mit dem einer Crumb-Zeichnung entlehnten Titel „Yeah, but is it art?“ nimmt sie allen Zweifeln an der Kunstwürdigkeit der Comics den Wind aus den Segeln.

Die Ausstellung ist natürlich ein Volltreffer; Crumb-Maniacs reisen von überallher an, gibt es doch nicht nur die weidlich bekannten Geschichten an den Wänden zu bewundern, sondern in Vitrinen auch die Sammlerstücke der Comic-Hefte meist kurzlebiger Titel – und, als musealer Leckerbissen, zahlreiche Skizzenbücher und Einzelseiten. Sie belegen, dass Crumb seit jeher alles andere als ein bekiffter Schnellzeichner war, sondern ein stets sorgsamer grafischer Künstler, geradezu ein Altmeister, der nur zufällig in die Hippieszene von Haight/Ashbury gefallen ist.

Das ist ohnehin der Sinn der Museumspräsentation: den Grafiker über dem Geschichtenerzähler herauszustellen. Denn die Geschichten selbst, anarchisch und voller Sex und Gewalt, lustvoll sämtliche Tabus der political correctness brechend, gehören längst zum visuellen Kernbestand der Pop-Kultur. „Fritz the Cat“, „Mr. Natural“ und der bösartig-verspielte Gnom „Mr. Snoid“ – das sind Charaktere, in denen sich Zeitkolorit und Lebensgefühl einer ganzen Epoche bündeln.

Crumb ist ein brillanter Beobachter der verklemmten, konsumsüchtigen Mittelklasse Amerikas – und bezieht die alles andere als flower-power-selige, vielmehr beißende Ironie seiner Strips aus der zielsicheren Durchbrechung ihrer lähmenden Konformität. Wo seine Zeitgenossen vom Sex mit kleinen Mädchen oder starkbeinigen Schwarzen, von Bombenwürfen auf die Mächtigen oder Gaunereien auf der Straße allenfalls träumen – Crumb zeichnet es. „Leben unter den Verstopften“, heißt in der deutschen Fassung ein Comic, der diese Mittelklassen-Alptraumwelt in nur zwölf Bildern bündelt. Crumb ist Sigmund Freud mit dem Zeichenstift: Er bringt das Unbewusste und Verdrängte der Gesellschaft zur Anschauung. Das Lachen des Lesers fällt dabei oft weniger heiter als hämisch aus. Crumbs Comics sind durchweg unpolitisch; sie zielen nicht auf Veränderung und verkünden keine Überzeugungen. Sie sind, daraus hat der Zeichner nie einen Hehl gemacht, Selbsttherapie hin zu einem radikalen Individualismus. Gelegentlich – und im Laufe der Jahre immer häufiger – taucht der Schöpfer in seinen eigenen Bilderfolgen auf: als unsympathischer Women’s-Lib-Hasser und verklemmter Sex-Maniac. Er hat die „Befreiungs“-Rhetorik der Sechziger stets nur auf sich bezogen, als Weg, den ganzen Ballast seiner katholischen Kindheit abzuwerfen und nachzuholen, was ihm damals versagt blieb.

Schließlich verlor Crumb auch den Spaß an den Comics: Vorbereitet durch einen bitterbösen Strip von 1977, in dem er sich als ausgebranntes Ex-Genie karikiert, konnten sich die Fans auf die höchst artifiziellen Illustrationen einstellen wie beispielsweise 1985 zu Krafft-Ebings 1906 veröffentlichter „Psychopathia Sexualis“. In den Achtzigern zeichnete Crumb lieber Strips zur Geschichte von Jazz und Blues.

Die Kölner Ausstellung glänzt durch Vollständigkeit – schade nur, dass der Katalog weit unter Niveau bleibt. Liebloses Layout, mäßige Übersetzungen; zudem mangelt es an einer Bibliographie der zahlreichen, verstreuten Comic-Hefte, von den deutschen Ausgaben ganz zu schweigen. Diese verpasste Gelegenheit ist nun überhaupt nicht funny!

Köln, Museum Ludwig, bis 12. September. Katalog im Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 34 €.

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