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Kultur: Lasziv gegen Tränen

Katzenjammer in der Zitadelle Spandau.

Mit ihrer Mischung aus Rock ’n’ Roll, Country, Garagenrock und Polka sind die norwegischen Folkpop-Eklektizistinnen Katzenjammer eigentlich ein Garant für gute Stimmung. Doch so ganz will der Funke in der Zitadelle Spandau zunächst nicht überspringen. Vielleicht liegt es am herbstlichen Regenguss, vielleicht auch daran, dass Solveig Heilo nach dem zweiten Song das Publikum bittet, einer an Krebs erkrankten Freundin in Gedanken Besserung zu wünschen und dabei kurz in Tränen ausbricht. Das scheint nicht nur den Zuschauern, sondern auch der Band auf der Bühne einen kleinen Dämpfer zu versetzen.

So wirkt die Flippigkeit der vier Damen anfangs etwas aufgesetzt, doch Katzenjammer tauen nach und nach auf. Angetrieben werden sie von der geborenen Rampensau Marianne Sveen, die mit ihrer aufgedonnerten Irokesenfrisur wie die Punkversion von Beth Ditto daherkommt und zu einer lasziv-verlangsamten Version von Genesis’ „Land Of Confusion“ die Beine hochreißt wie eine entschlossene Cabaret-Tänzerin. Genial gezielt ist auch der hocherotische Gospel „God’s Great Dust Storm“, mit dem man problemlos jede Strip-Show unterlegen könnte. Auch die Ansagen werden jetzt witziger, zum Beispiel als Bergheim das Publikum auffordert, ihr doch ein neues deutsches Wort beizubringen. „Schweinebacke!“, schallt es hinauf zur Bühne. „What? Pig’s ass?“, fragt Bergheim erstaunt zurück.

Ein Musikspektakel für sich ist das Bäumchen-wechsle-dich-Spiel der vier Multiinstrumentalistinnen, die sich ständig an Drums, Mandoline, Akkordeon und Balalaika-Bass ablösen. In „I Will Dance“ spielt Bergheim sogar drei Instrumente gleichzeitig: Mundharmonika im Mund, einen Xylophon-Klöppel in der einen, das Akkordeon in der anderen Hand. So kommt am Ende doch noch das echte Katzenjammer-Feeling auf: eine Kombination aus überdrehter Straßenmusik und Glamrock mit akustischen Instrumenten. Erik Wenk

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