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Kultur: Leben ohne zu fliegen

Kathrin Fischer sieht sich als Teil der „Generation Laminat“.

Es nimmt kein Ende mit den Generationenbüchern. Hüteten sich jedoch zuletzt die jungen Autorinnen und Generationsbetrachterinnen, das Wort „Generation“ im Titel zu nennen („Wir haben (keine) Angst“ hieß das Buch von Nina Pauer, „Heult doch!“ das von Meridith Haaf), so kennen Kathrin Fischer und der Münchener Knaus Verlag keine falsche Scheu und rufen mal wieder eine neue Generation aus: die „Generation Laminat“. Das ist laut Fischer jene Generation, die es sich schon bald nicht mehr leisten kann, Wohnungen mit Parkettfußböden zu mieten oder zu kaufen. Stattdessen muss sie mit Laminat vorlieb nehmen, dem Holzabfall. Die 1967 in Frankfurt am Main geborene Autorin weiß daher, „dass ich aus eigener Kraft nicht den Wohlstand erzeugen kann, in dem ich aufgewachsen bin. Ich dachte, mein Leben ginge immer so weiter, wie es begonnen hat. Tut es aber nicht, flüstert mir jeden Morgen das Laminat in meiner Mietwohnung zu“.

Kathrin Fischer beschreibt, wie es für ihre Generation, die in den 60er und 70er Jahren geboren wurde, im relativen Wohlstand aufwuchs und gut ausgebildet ist, nicht mehr immer nur nach oben geht, so wie bei ihren Eltern. Die Laminatgeneration muss sich immer häufiger mit prekären Arbeitsverhältnissen, mit Arbeitslosigkeit und Hartz IV gar, und mit Rentenängsten auseinandersetzen – kurzum: mit der Vertreibung aus der Komfortzone. Fischer macht das zum einen, wie man das von Büchern dieser Art nur allzu gut kennt: Sie erzählt häufig in der ersten Person Plural. Und sie hat so einige Jörgs, Allys, Michaels, Annas und Christines in ihrem Freundeskreis, deren Leben und deren Aussagen ihre These „Mit uns beginnt der Abstieg“ stützen. Die Generation Laminat ist in diesen Passagen also auch stilistisch die Nachfolgerin der Generation Golf von Florian Illies. Nur fehlen die Heiterkeit und Unbesorgtheit. Das bringt die Angst vor dem Abstieg, der vermeintliche Ernst der Lage nun einmal mit sich.

Zum anderen aber will Fischer nicht nur jammern und vom Generationsbuchboom selbst ein wenig profitieren, sondern auch analysieren. Hier wird ihr Buch interessant und politisch. Sie fragt sich, „in welcher Gesellschaft wir eigentlich leben wollen“ und legt dar, wie nach der ersten Ölkrise 1973 der Neoliberalismus das erste Mal sein Haupt erhob und das keynesianische Wiederaufbaumodell „in eine tiefe Krise“ geriet. Mit Reagan, Thatcher und Kohl, später mit Tony Blair und Gerhard Schröder kam in den westlichen Industriestaaten eine Politikergeneration an die Macht, die dem Markt immer freiere Zügel ließ und den Sozial- und Wohlfahrtsstaat nach und nach umbaute. Als „bröckelnde Eckpfeiler“ der Gesellschaft benennt Fischer die Arbeit, den Staat und die Familie und untersucht unser sich immer weiter wandelndes Verhältnis dazu. Dafür hat sie viele Gespräche mit Soziologen, Philosophen und Journalisten geführt und so einiges gelesen, von unter anderem Ulrike Herrmanns Abhandlung „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ über Tony Judts nachgelassene Schrift „Dem Land geht es schlecht“ bis zu Robert Castels Büchern „Die Krise der Arbeit“ und „Die Stärkung des Sozialen“.

Ihre Lesefrüchte verweisen auf tatsächlich sehr viel weiterführendere Literatur. Sie kommen aber natürlich Fischers populärer Generationserzählung in die Quere, weshalb die Jörgs und Annas und Allys irgendwann nur noch wie statische Pappkameraden wirken. Immerhin vermag Fischer zusammenzufassen: „Die aufstiegsversessene Mittelschicht will nicht wahrhaben, dass sie nicht zu denen da oben gehört.“ Ihr Anliegen formuliert sie auch: „Es geht mir nicht darum, meine persönliche Position im Leben zu beklagen. Es geht mir darum, dass der allgemeine Wohlstand, der in diesem Land, das zu den reichsten der Welt gehört, durchaus vorhanden ist, immer mehr auf immer weniger Menschen konzentriert. Dass diese Einkommens- und Machtkonzentration politisch gefördert wird.“

Diese Anklage ist aller Ehren wert, diese Analyse eines politischen und wirtschaftlichen Zeitgeistes, zu der sich „Generation Laminat“ zunehmend entwickelt. Am Ende bekommt das Buch appellativen Charakter. Die inzwischen als PR-Referentin der Universität Flensburg tätige Autorin erzählt, Mitglied bei Attac geworden zu sein, Bank und Stromanbieter gewechselt zu haben und keine Kurzurlaube mehr mit dem Flugzeug zu machen. Und schließlich legt sie eine „Weltrettungsanleitung“ in fünf Punkten vor, die etwas Anmaßendes wie Selbstverständliches zugleich hat und von „sich schlau machen“ bis zu „politisch handeln“ reicht. Doch will Fischer eben auch aufrütteln, daran appellieren, dass jeder Einzelne etwas tun kann und Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen sollte. Wenn es dann trotzdem nur für Laminat reicht, lässt sich das zumindest besser ertragen.

Kathrin Fischer: Generation Laminat. Mit uns beginnt der Abstieg. Knaus Verlag, München 2012. 288 Seiten, 16,99 Euro.

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