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Kultur: Lebensbilder

Ein Filmporträt erinnert an Miriam Weissenstein.

Die Heldin dieses Films ist fast so alt wie die Stadt Tel Aviv, die vor drei Jahren ihren 100. Geburtstag feierte. Siebzig Jahre schon gibt es dort das Photo House Prior an der Allenby-Straße, das die gelernte Tänzerin Miriam Weissenstein mit ihrem Ehemann gründete. Der aus Böhmen eingewanderte Fotograf Rudi Weissenstein durfte 1948 als Einziger die feierliche Proklamation der israelischen Unabhängigkeit aufnehmen und wurde in jener Zeit zum bedeutendsten fotografischen Dokumentator des israelischen Lebens. Heute ist der kleine Laden ein privates, frei zugängliches Archiv. Bilder von Alltagsszenen und Persönlichkeiten aus den Gründerjahren hängen im Schaufenster und an den Wänden: Reminiszenzen an eine Zeit des Aufbruchs. Viele der abgebildeten Gebäude gibt es heute nicht mehr.

Nach Rudis Tod 1992 betreibt Miriam das Geschäft mit ihrem Enkel Ben. Die schlagfertige Dame folgt nicht gerade den Geboten heutiger Dienstleistungsfertigkeit. „Nervensägen“ sind die Kunden für sie, und was ein Urlaubstag ist, muss Ben der Widerspenstigen auch erst erklären. Es kracht zwischen den beiden, die zudem ein traumatisierendes Familiengeschehen verbindet. Miriam hat konservative Vorstellungen davon, was man einem Bild antun darf. Ben dagegen trägt sich mit internetaffinen Ideen für den Umgang mit dem familiären Erbe. Doch kann er die Großmutter überreden, mit ihm eine Ausstellung mit Arbeiten Rudi Weissensteins in Frankfurt am Main zu eröffnen. Als die Stadtverwaltung von Tel Aviv ihr Haus an der Allenby-Straße durch einen Neubau ersetzen will, kämpfen beide dagegen.

Die israelische Filmemacherin Tamar Tal hatte Miriam bereits ihre Abschlussarbeit an der Filmschule gewidmet. „Life in Stills“ erzählt mit Takt, Zärtlichkeit, Witz von der spannungsreichen Beziehung zweier außergewöhnlicher Menschen und ihrem Kampf um die Erhaltung des Familienunternehmens. Mit eingeblendeten historischen Fotos Weissensteins und familiären Home-Movies  ist der Film vor allem das melancholische Porträt einer Person, die von der Welt Abschied nimmt. Miriam Weissenstein starb wenige Wochen nach der Filmpremiere, im Juli 2011. Silvia Hallensleben

Lichtblick-Kino, Eva-Lichtspiele, Moviemento

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